Alle Beiträge von Lena Falkenhagen

Berlin, Bari, Regensburg: Konferenzen im Herbst

Die letzten Monate waren angefüllt mit Konferenzen vornehmlich im Games-Bereich, bei denen ich freundlicherweise aufs Podium eingeladen wurde. Beginnen möchte ich aber mit der Ankündigung einer Konferenz, auf der ich im Dezember die Keynote halten darf: Die Gamepathy in Regensburg.

Die Konferenz Gamepathy ist noch gar nicht alt, sie findet dieses Jahr zum zweiten Mal statt. Sie widmet sich dem Computerspiel aus dem Blickwinkel der Empathie. Das allein ist schon ein spannendes Konzept, das ich gern unterstütze.

Parallel dazu findet eine Entwicklerkonferenz statt, die zum Entwickeln von Spielen mit diesem Fokus ermutigen möchte.

Meine Keynote wird den Titel „Games zwischen Empathy Machine und Eichmann-Generator“ tragen.

Die Apulia Digital Experience, die vom italienischen Fernsehsender RAI und dem Filmhouse Bari in Kooperation mit Fabio Belsanti und seiner Initiative „Video Games and (High) Culture“ veranstaltet wurde, lud mich Ende Oktober nach Bari ein.

Das italienische Fernsehen hat mich zu Computerspielen in Apulien interviewt: https://www.linkedin.com/posts/fondazione-apulia-film-commission_ade2024-apuliadigitalexperience-apuliafilmcommission-activity-7255921620446273536-BW7B

Auf der Bühne saßen Marta Fijek, eine sehr kluge Akademikerin, die zum Thema ein neues Buch „How and Why We Make Games – The Creative Confusion“ veröffentlicht hat, sowie ihr Ko-Autor Artur Ganszyniec. Ich lese das Buch gerade und kann es herzlich empfehlen, da Marta das Konzept des Narrative in Computerspielen aus einer neuen Perspektive beleuchtet: sie trennt sich von klassichen Betrachtungsweisen von Elementen in Computerspielen und scheidet sie in ihrer „Topography of Narrative“ in „Static“ und „Dynamic“. Das ist eine spannende Betrachtungsweise, die mir auf ersten Gedanken einleuchtend erscheint, die ich aber noch genauer durchdenken muss.

Und dann lud mich die Stiftung digitale Spielekultur im November unter dem Titel „From Dystopian Fears to AI Realities & Video Games“ auf die ExMachina-Bühne auf dem Games Ground Festival in Berlin ein. Dort sprach ich mit Miles Tost (Level Design Lead CD Project Red), Carolin Wendt (Community Manager CD Project Red) und Dr. Lars Schmeink (Forscher am Deutschen Luft- und Raumfahrt-Zentrum) über Dystopien in Cyberpunk 2077.

Welche Ängste generative KI auslösen, werden ja schon heute deutlich. Was macht menschliche Kreativität aus? Kann Maschine Kreativität? Oder kopiert sie nur den Menschen? Cyberpunk eskaliert das Thema ja noch mal durch die transhumanistische Brille: wie viel kann man von einem Mensch wegnehmen, ohne dass er sein Menschsein verliert? Wie viel kann man ihm hinzufügen? Und wie viele menschliche Qualitäten muss eine Maschine oder Künstliche Intelligenz (die starken) gewinnen, damit wir ihnen Menschenrechte zugestehen?

Solche Fragen sind Menschheitsfragen, und das Computerspiel als Kulturelles Artefakt ist ein guter Ort, um sie zu diskutieren. Die Veranstaltung war sehr befruchtend, besonders weil parallel eine Spielung des Computerspiels stattfand, die zeitweise im virtuellen Puff landete …

Auf dem Dreieich-Con – einem der größten deutschen Tischrollenspiel-Cons – haben mein Schreibgefährte Thomas Finn und ich zum ersten mal aus unserem noch unveröffentlichten Manuskript gelesen.

„Im Schatten Simyalas: Ruinen der Elfen“ erscheint am 27.02.2025.

Eine Stunde später hatten wir inoffizielle Staffelübergabe:

Denn unsere Simyala-Bücher sind ja die inhaltlichen Nachfolger zu Bernhard Hennen und Robert Corvus Phileassonsaga. Daher haben wir auf dem Dreieich-Con eine Podiumsdiskussion zum gemeinsamen Schreiben von Büchern und der Zukunft der DSA-Romane im Piper-Verlag gehalten, moderiert von Robert Bude.

Und last but not least lud mich freundlicherweise das SPD-Kulturforum am 5. November zur Diskussion zum Thema „Mensch vs. Machine“ nach Berlin ein. Die angeregte Diskussion im Basecamp mit Dirk Beinhold, Filmproduzent und Vorstandsmitglied der Deutschen Filmakademie & Deutschen Produzentenallianz, Dr. Ramona Greiner, Digital Analytics & Data Ethics Consultant, Speakerin und Autorin, sowie Tim Renner, Musikproduzent, Journalist und Autor und ehem. Berliner Staatssekretär für Kultur wurde moderiert von Arne Schröer, dem Geschäftsführer des Kulturforums der Sozialdemokratie.

VG-Wort KI-Lizenzen – was tun?

Disclaimer: ich habe diesen Text ursprünglich am Wochenende in Vorbereitung einer bevorstehenden Ankündigung der Änderung des Wahrnehmungsvertrages krank geschrieben und wollte ihn eigentlich noch bearbeiten, bevor ich ihn veröffentliche. Da ich nicht ganz so schnell mit dem Newsletter der VG Wort gerechnet habe und die Diskussion jetzt aber so hochkocht, habe ich mich entschlossen, ihn unbearbeitet freizugeben. Ich bitte daher, nicht jedes Wort auf die Goldwaage zu legen.

Zweiter Disclaimer: Ich bin seit 2019 Mitglied des Verwaltungsrats der VG Wort und begleite die Diskussion daher schon seit Monaten intern, habe Fragen gestellt und versucht, die Vor- und Nachteile mit zu durchdenken. Auch auf der Mitgliederversammlung der VG Wort wurde dazu eine intensive Debatte geführt. Der Beschluss für diese Lizenzen erging am 1.6.2024. Bitte unbedingt auch die FAQ der VG Wort lesen!

Dritter Disclaimer: Der Raubzug der großen generativen KI-Modell-Entwickler an urheberrechtlich geschützten Werken hat mit dieser KI-Lizenz der VG Wort keinen unmittelbaren Zusammenhang. Auch meine Kollegin im Verwaltungsrat, Nina George, hat sich dazu ebenfalls geäußert. Hier meine Erläuterung:

2019 traten umfangreiche Änderungen im europäischen Urheberrecht in Kraft, das dazu geführt hat, dass in Deutschland  § 44b des UrhG zu Text- und Data-Mining (auch liebevoll TDM genannt) so formuliert wurde: „Text und Data Mining ist die automatisierte Analyse von einzelnen oder mehreren digitalen oder digitalisierten Werken, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen zu gewinnen.“

Urheber*innen oder Lizenzinhaber*innen können der Verwendung der Werke mittels eines sogenannten „Nutzungsvorbehalts“ (oft auch Opt-Out genannt) widersprechen, allerdings nur, wenn es sich nicht um ein Text und Data Mining für wissenschaftliche Zwecke handelt. Bei wissenschaftlichem TDM ist wegen § 60d UrhG ein Nutzungsvorbehalt nicht möglich, die Werke können ohnehin ohne Zustimmung der Rechteinhaber*innen verwendet werden.

Wichtig: Die Paragraphen zum TDM werden in Europa als nachträgliche Legitimierung herangezogen, wenn es darum geht, generative KI zu trainieren und die Legalität des Verwendens von Werken von Künstler*innen zu behaupten, ohne jene um Erlaubnis zu fragen oder zu vergüten. Heißt: ChatGPT und Co. nehmen sich alles, was im Internet veröffentlicht ist und verwenden diese Werke für ihre Zwecke, ohne dafür zu bezahlen..

Befürworter*innen berufen sich darauf, dass das Training generativer KI in der technischen Beschreibung im TDM-Paragraphen ja so „mitgemeint“ gewesen sei. (Dass die Gesetzgeber*innen in Brüssel die lange diskutierte EU-Richtlinie 2019 zum Urheberrecht noch nicht ahnen konnten, dass 2022 der Durchbruch mit KI erfolgen würde … geschenkt.)

Erstens: Alle gängigen Urheber*innenverbände, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels und die VG Wort widersprechen dieser Lesart. Heißt: Wir sind der Meinung, es handelt sich bei dem Vorgang des Trainings von generativer KI nicht oder jedenfalls nicht nur um TDM, sondern um andere und weitergehende Nutzungsarten. Auch und gerade die VG Wort hat ein Interesse daran, dass Urheber*innen vergütet werden, und will das über eine kollektive Wahrnehmung der Rechte ihrer Mitglieder erreichen.

Eine Studie der Initiative Urheberrecht; unter anderem vom Verband deutscher Schriftsteller*innen und der VG Wort mit finanziert bzw. initialisiert – hat festgestellt, dass es sich beim Training von KI nicht um TDM handelt und dass das Training von Modellen anhand urheberrechtlich geschützter Werke etliche Urheberrechtsverstöße darstellt. Heißt: Die VG Wort kämpft hier für das Urheberrecht und gegen die großen KI-Hersteller an der Seite der Urhebenden und Verlage, beide Gruppen räumen ihr im Wahrnehmungsvertrag Rechte ein.

Zweitens sind wir Urheber*innenverbände der Meinung, es müssen a) Urheber*innen/Lizenznehmer*innen gefragt werden, bevor geschützte Werke zum Training von generativer KI verwendet werden, b) die verwendeten Werke müssen von den Anbietern transparent gemacht werden, c) die Rechteinhaber*innen müssen angemessen vergütet werden und d) Produkte, also Texte und Bilder o.ä., die mit generativer KI erstellt werden, müssen als solche gekennzeichnet werden. Siehe auch: Verband deutscher Schriftsteller*innen in Verdi Kunst und Kultur bzw. Initiative Urheberrecht zu KI.

Die VG Wort unterstützt den Anspruch der Urheber*innen und Lizenznehmer*innen an ihren Werken mit Hinblick auf generative KI vollständig! Auch die Änderung des Wahrnehmungsvertrags durch die VG Wort soll diesen Anspruch unterstützen. Wer sich näher mit der Position der VG Wort beschäftigen möchte, lese bitte einen Beitrag von Dr. Robert Staats, dem Geschäftsführer der VG Wort, aus dem Juli in der Politik & Kultur. Er ist meines Erachtens einer der einflussreichsten Befürworter einer neuen Regelung zum Schutz der Werke von Urheber*innen gegenüber Modellanbietern wie ChatGPT et al.

Darin stellt er fest, dass das Urheberrecht Reformbedarf hat: „Wie kann sichergestellt werden, dass Urheberinnen und Urheber oder andere Rechtsinhaber (wieder) über die Nutzung ihrer Werke im Zusammenhang mit KI frei entscheiden können? Wie kann ein rechtssicherer und maschinenlesbarer Vorbehalt gegen die Nutzung von Werken für Text und Data Mining eingelegt werden? Wie kann eine angemessene Vergütung sichergestellt werden?„. Dieser Beitrag wurde im Juli veröffentlicht, kurz nachdem die Mitgliederversammlung der VG Wort nach intensiver Debatte (!) der Regelung zugestimmt hat.

Als Mitglied des Verwaltungsrats der VG Wort kann ich zunächst sagen: die neue Regelung soll ausschließlich für das firmeninterne Training und Verwendung einer unternehmenseigenen generativen KI dienen. Zielgruppe der Lizenz ist z.B. ein Pharmaunternehmen, das anhand von wissenschaftlicher Literatur eine generative KI trainieren möchte. Standesämter. Firmenintern heißt auch: nicht zur Veröffentlichung bestimmt.

Auch für mich ist es ein seltsames Gefühl, zuzustimmen, dass die eigenen Werke zum Training für generative KI verwendet werden dürfen – aber hier sind a) und c) sowie hoffentlich d) unseres Forderungskatalogs erfüllt: wir werden um Zustimmung gebeten und es erfolgt eine Vergütung. Ich würde mir wünschen, dass die Transparenz der Trainingsdaten auch durchgeführt wird, aber das kann ich natürlich nicht bewerten. Wie hoch eine Vergütung sein wird, hängt natürlich a) vom Markt, und b) vom Wert der Lizenzen ab – also wie „gut“ die Werke und wie viele Werke es sind, die hier in die unternehmensinternen KI-Modelle eingespeist werden.

Unterstellt wird, dass Firmen ein berechtigtes Interesse an solchen juristisch einwandfrei lizensierten Werken für das Training von generativer KI besitzen. Denn dem Anspruch von ChatGPT und Co wird ja von Seiten der Rechteinhaber*innen immer vehementer widersprochen. Hier auf der richtigen Seite zu stehen und rechtssicher zu agieren, ist von Vorteil. Denn wenn das durchgeklagt wird und festgestellt wird: nein, die TDM-Ausnahme ist tatsächlich nicht anwendbar, aber alle haben sich darauf verlassen, die Werke der Urheber*innen verwenden zu können, stehen die Firmen im Regen und müssen sich auf drastische Nachzahlungen und Schadensersatzklagen einstellen. Unterstellt wird auch, dass eher wissenschaftliche Werke angefragt werden, als belletristische.

Anspruch auf Vergütung festigen: Die VG Wort versucht mit ihrem Ansatz, den Anspruch auf Vergütung von Urheber*innen und Lizenznehmer*innen mit den KI-Lizenzen zu festigen. Die VG Wort könnte hier durch das Geschäftsmodell auch belegen, *dass* uns Geld abhanden kommt, wenn KI an unseren Daten trainiert wird. Das kann helfen, einen Anspruch für Urheber*innen zu unterstützen. Das heißt, meines Erachtens haben wir ein Interesse daran, dass diese KI-Lizenzen gut funktionieren.

Ich werde also der neuen Regelung zur Verwendung meiner Werke nicht widersprechen, auch weil ich möchte, dass die VG Wort-Unternehmenslizenzen funktionieren. Damit der legitime Anspruch von Urheber*innen auf die Lizensierung und Vergütung ihrer Werke im Training von KI endlich durchgesetzt wird. Ob da eine relevante Summe Geldes fließt, kann ich natürlich genauso wenig prophezeien, wie irgend jemand sonst.

Schlussendlich aber kann und sollte jede*r selbst entscheiden, ob die eigenen Werke hier freigegeben werden. Dafür sind wir im Verwaltungsrat eingetreten. Zu bedenken ist: wenn die Werke einmal in einer generativen KI einer Firma „enthalten“ sind, kann man sie nicht wieder „herausnehmen“. Generative KI kann nach heutigem Wissenstand nicht wieder „verlernen“, was sie einmal gelernt hat. Ein folgender Widerspruch gilt dann erst für das neue Werk ab dem Widerspruchszeitpunkt.

Nachtrag: Natürlich kann die VG Wort mit eurer Einwilligung nur die *legale* Nutzung der Werke in firmeninternen generativen KI regeln. Sie kann nicht die *illegale* Nutzung durch ChatGPT und Co verhindern. Leider.

Devcom & Gamescom 2024

Ich freue mich so sehr auf die devcom 2024! Zusammen mit Jörg S. Friedrich von Paintbucket Games werde ich darüber sprechen, warum wir die Welt mit Games retten können!

Kommt vorbei und sprecht mit uns darüber!

Dienstag, 20. August 2024
4:00 PM bis 5:00 PM – 1 Std. (Europa/Berlin)
Bühne 11 – Confex 3 Stockwerk

Auch auf der Devcom:

Fabio Belsanti war so freundlich, mich zu seiner Podiumsdiskussion „(Video)Games, History & High Culture: Theorie und Praxis in IP Homeni et Armi“ einzuladen!

Dienstag, 20. August 2024
13:30 bis 14:30 Uhr – 1 Std. (Europa/Berlin)
Bühne 9 – Confex 3 Stockwerk

Und drittens hat mich die Film- und Medienstiftung NRW am Mittwoch auf die Gamescom eingeladen. An ihrem Stand Halle 4.1, A061 findet dieses Jahr ein spannendes Gesprächsprogramm statt, das ihr u.a. auf Linkedin findet.

Am Mittwoch um 14h ist der NRW-Empfang mit NRW-Medienminister Nathanael Liminski; und um 15h folgt dort direkt danach unsere Podiumsdiskussion:

Weltenbauerinnen – Utopien & Dystopien
Lena Falkenhagen und Theresa Hannig diskutieren über das Erschaffen eigener Welten in Medien wie Games, Büchern und Theaterstücken. Moderiert von Daniel Budiman!

Der nachfolgende Talk über „Das Spiel mit den Regeln“ klingt auch hochinteressant, und ich höre Felix Zimmermann (bpb) und Linda Kruse (Uni Trier) immer gern zu, besonders, wenn sie über Serious Games reden!

Sprecht mich gern an, wenn ihr Fragen habt!

Podcast: Spielend subversiv

Die letzten Wochen und Monate waren sehr aufregend für mich. Ich habe endlich einen langgehegten Traum von mir umgesetzt: einen eigenen Podcast umzusetzen.

In Spielend subversiv sprechen Marina Weisband und ich über eine andere Form der Literatur: Liverollenspiel, also eine Mischung aus zuschauerlosem Improvisationstheater und Tischrollenspiel (Pen-&Paper-Rollenspiel). Wir möchten den Podcast einsteigerfreundlich halten und hoffen, auch Menschen dafür zu interessieren, die keine Liverollenspiele machen.

Lena Falkenhagen und Marina Weisband nebeneinander in Liverollenspiel-Gewandung, darüber der Schriftzug „Spielend subversiv“.

Was ist Liverollenspiel? Die Veranstalter mieten eine Burg oder anderen Veranstaltungsort (Zeltplatz z.B.) und denken sich eine Handlung oder Konflikt aus. Die Teilnehmenden spielen darin die (Haupt-)Figuren. Mit dazu passender Gewandung und Ausrüstung.

Im Liverollenspiel gibt es so viele verschiedene Formate, die alle auch unterschiedliche Mechaniken (oder Meta-Techniken, wie es hier oft genannt wird) besitzen.

In Folge 0 erklären Marina und ich, was Liverollenspiel ist und warum wir darüber sprechen, in Folge 1 wie so ein Liverollenspiel eigentlich vonstatten geht.

Warum möchte ich über Liverollenspiel (Live Action Roleplaying Games, kurz: Larp) sprechen? Ich halte es für eine völlig unterschätzte Kunstform. Spiel lehrt uns ganz „spielerisch“ von Kindesbeinen an wichtige Fähigkeiten. Spiel ist intensiv mit unserem Erforschen von Rollenbildern verknüpft. Gleichzeitig bietet Spiel einen sicheren Raum, in dem wir solche Rollen erkunden können – und das, ohne, dass wir es so richtig realisieren, also eher auf „subversive“ Weise.

In Skandinavien ist die „Nordic Larp„-Szene eng verknüpft mit der queeren und besonders der trans Szene. Genau aus dem oben genannten Grund: Man kann verschiedene Rollen und Identitäten ausprobieren und einerseits feststellen, wie wohl man sich damit fühlt, andererseits auch erste Schritte in einer Männer- oder Frauenrolle machen und Selbstvertrauen erwerben, ohne, dass es das eigene Privatleben beeinträchtigt. Der Zauberkreis des Spiels macht es möglich.

Als Professorin für Game Design interessiere mich auch intensiv für Larp-Theorie, die auch besonders aus dem Nordic-Bereich kommt. Das mache ich auch, um das Sprechen über Liverollenspiel, was wir darin tun, wie wir darüber reden, einer deutschen Spielerschaft näher zu bringen.

Ich denke, dass das Vokabular, über Liverollenspiel zu sprechen, wie auch die Differenzierung zwischen verschiedenen Formaten oft noch fehlt. „Liverollenspiel“ ist kein einzelnes Hobby, es ist eine Ansammlung von vielen. Und nicht jeder, der „Liverollenspiel“ sagt, meint dasselbe.

Hört gern mal rein!

Schreiben für Games, und wie es meinen Schreibprozess verändert

Im Augenblick finalisiere ich gerade mein neues Fantasy-Buch für den Piper-Verlag.

Dabei ist spannend zu beobachten, wie sich mein Schreibprozess im Laufe der Zeit verändert hat, während ich mehr an Computerspielen als an Romanen gearbeitet habe.
Und möglicherweise hätte ich es nicht einmal bemerkt.

Letztes Jahr stellte mir der scharfsinnige Dr. Souvik Mukherjee während der Konferenz „Literatur und Games“ vom Deutschen Literaturarchiv Marbach diese Frage: „Sag mal, Lena, wie hat das Schreiben für Spiele eigentlich dein Schreiben verändert?“

Ich war ganz verblüfft über diese Frage. Und ich hatte noch keine Antwort.

Jetzt, nachdem der erste Roman fast fertig ist, habe ich eine.

Ich schreibe nun schon seit 30 Jahren. Angefangen hat es mit Kurzgeschichten, also linearer Literatur. Sehr schnell kamen auch Spielebücher mit Abenteuern für Tabletop-Rollenspiele hinzu, also nicht-lineare Fiktion, die Spieler in einem Rollenspiel wie Das Schwarze Auge am Tisch selbst mit ihren eigenen Charakteren durchleben können.

Dann schrieb ich Romane. Viele Romane. Und damit war der Löwenanteil meines Werks lineare Fiktion. Mein Schreibprozess glich dem natürlich. In der Regel habe ich, mit dem einen oder anderen Rückgriff auf bereits Verfasstes, auch linear geschrieben, und das hat für mich gut funktioniert.

Seit nunmer 13 Jahren schreibe ich nun sowohl die Struktur (ich nenne es „strategische Erzählung“) als auch mehrere tausend Zeilen Computerspieldialoge für eine Vielzahl von interaktiven Spielen.

Spiele leben vom Testen. Das Testen von Daily Builds oder anderen Testversionen eines Spiels zeigt einem, wie sich die Geschichte aus der Sicht eines Spielers anfühlt. Bei interaktiven Spielen gibt es in der Regel verschiedene Versionen von Handlungssträngen, denen der Spieler folgen kann.

Das Ergebnis ist ein fragmentierter Schreibprozess

Man schreibt etwas, man testet es. Wenn man merkt, dass eine Auswahloption oder eine Aufgabe fehlt, fügt man sie hinzu und testet sie. Und von vorn.

Und jetzt, wo ich meinen neuen Fantasy-Roman mit Thomas Finn für den Piper Verlag schreibe, in dem ich zu dem alten und sehr bekannten Kontinent Aventurien der Offline-Spielwelt Das Schwarze Auge zurückkehre, schreibe ich plötzlich in derselben Weise.

Ich schreibe die wichtigsten Punkte der Handlung. Ich lese. Ich springe an Punkte, an denen etwas fehlt und füge einige charakterisierende Dialoge oder Konflikte zwischen Charakteren hinzu. Ich lese. Ich springe zurück, um mehr Handlung oder eine Nebenquest für einen der Charaktere hinzuzufügen. Ich lese. Und von vorn.

So wächst mein Roman ganz wie ein Spiel, nicht unähnlich einem Garten, aus verschiedenen Wurzeln und Pflanzen.

Ich mag das sehr. ❤

Und vielen Dank an Souvik Mukherjee für die Frage, die er letztes Jahr gestellt hat. Sie hat mir sehr geholfen, zu erkennen, was in meinem Prozess vor sich geht.

Und jetzt höre ich auf zu prokrastinieren und gehe zurück an die Arbeit am Roman.

Mediale Erlebniswelt „Yosephinum“ in Altenburg

Die multimediale Erlebniswelt „Yosephinum“ der Stadt Altenburg ist ein großartiges Langzeitprojekt, um die Kraft der Spiele aufzuzeigen. Die Finanzierung ist gesichert; das Land Thüringen fördert mit knapp 15 Mio Euro.

Das Yosephinum wird nach unserer Planung nicht nur Elemente von Brettspielen, Computerspielen und Rollenspielen haben, sondern auch durchspielbar sein! Das heißt, man kann auf verschiedenen Pfaden das Haus mit einer Geschichte erleben.

Geleitet und begleitet wird dieses Projekt von städtischer Seite aus durch Florian Voß, auf Brettspieleseite durch Prof. Dr. Jens Junge. Ich freue mich, dieses phantastische Konzept als Narrative Director mit in die Realisierungsphase tragen zu dürfen.

Einen ersten Eindruck erhält man über die Promo-Videos, die es auf dem Instagram-Kanal des Yosephinums nachzuschauen gibt!

Die Homepage des Yosephinums gibt auch schon etwas Aufschluss auf das Projekt.

Devcom 23 – vom Buch zum Game

Am Montag den 21. August halte und moderiere ich auf der Devcom-Konferenz in Köln, die der Gamescom (der großen Computerspielemesse vorgelagert ist) einen experimentellen Workshop auf Bühne 9 – im Kongresssaal 1.

Das Thema: Vom Buch zum Spiel – Wie funktioniert das eigentlich?

Spiele, die auf Büchern basieren, gibt es viele: The Witcher 3, The Dwarves, Orwell sind gute Beispiele. In diesem einstündigen Workshop werfen die Spieleautorin und Narrative Directorin Lena Falkenhagen (Paintbucket Games), der Visual Development Artist und Storyboarder Klaus Scherwinski, Game Designerin Marta Fijak (Anshar Games) und der Autor Boris Koch einen Blick auf sein Buch „Der Drachenflüsterer“.

Auf Grundlage dieses Buchs werden die Spiele-Experten das Grundkonzept für ein Spiel erstellen. Anhand von Beispielen zeigen sie, welche Aspekte man aus dem Buch herausgreifen kann, wie man die Perspektive wählt, was man in Bezug auf den Autor beachten muss und vielleicht sogar welche rechtlichen Aspekte wichtig sind.

Klingt experimentell? Ist es auch. Ihr könnt euch gerne beteiligen und Anregungen geben oder Fragen zum Thema stellen.

Quartett der Spielekultur im Deutschen Literaturarchiv Marbach

Foto von Eugen Pfister; es zeigt den Humboldt-Saal im DLA. Am Pult Dilan Cakir, auf der Bühne Sebastian Möhring, Sonia Fizek und Lena Falkenhagen, online an der Wand dabei Tracy Fullerton.

Manche Termine sind im Leben etwas ganz Besonderes. Die Tagung Literatur und Games im Deutschen Literaturarchiv war insgesamt einer der Highlights meiner postpandemischen Aktivitäten. Drei Tage akademischer Austausch mit einigen der Größen der europäischen Gamestheorie – das war nicht nur etwas für den Kopf, sondern auch etwas fürs Herz, denn diese Tagung verheiratete meine beiden Herzensthemen – Literatur und Computerspiele – endlich miteinander.

Ich hatte die Ehre, vom Forschungsverbund Marbach-Weimar-Wolfenbüttel eingeladen worden zu sein, um auf der Tagung im ehrwürdigen Humboldt-Saal die neueste Iteration des Quartetts der Spielekultur zu moderieren. Gleichzeitig war ich an allen drei Tagen der Konferenz dabei und habe mir die Vorträge angehört, die tief in die Materie eingestiegen sind.

Mit auf dem Podium dabei waren Sonia Fizek (Cologne Game Lab), Sebastian Möhring (Uni Potsdam, Digarec) sowie Tracy Fullerton (UCLA etc.pp.). Nachschauen kann man das Quartett mit dem Titel „Forking Paths. Narration in Games“ hier.

Am besten gefallen haben mir natürlich die Gespräche über Games Literacy, also das „Wie-liest-man-Games“ der Theorie. Aber auch sämtliche Gespräche über Archivierung (z.B. das man den Prozess der Spieleerstellung nicht vergessen darf) und deren Probleme und was sich dafür eignet (Steam? GoG?) war spannend.

Phantastische Menschen kamen aus Canada und Indien (ich hoffe ich begegne Souvik Mukherjee aus Kalkutta bald wieder!), und ich bin Eugen Pfister zum ersten Mal in Person begegnet, auch wenn er mir von Twitter schon als alter Bekannter vorkam. Und mein lieber Exkollege Csongor Baranyai war dabei; das ist immer eine Freude. Mein Höhepunkt war die Closing Keynote von Espen Aarseth (Uni Kopenhagen), der Fallout: New Vegas als bislang größten Roman des 21. Jahrhunderts bezeichnete …

Neun Menschen nach der Konferenz vor dem Ochsen in Marbach.

Die Tage waren nicht nur wahnsinnig lehrreich und interessant (mit Ausklang im Garten des Schillermuseums und Besichtigung des Museums der Modernen Literatur, wo ich eine Handschrift von Paul Celan und ein handgeschriebenes Gedicht von Ingeborg Bachmann sehen durfte!), sondern im idyllischen Marbach auch geeignet, ein wenig runterzukommen und den sehr betriebsamen Juni angenehm ausklingen zu lassen.

Ich bin immer noch ganz beeindruckt, dass das Literaturarchiv Marbach diese Tagung zur Intersektion von Games und Literatur abgehalten hat und geehrt, dass ich dabei gewesen bin. Mir als altem Schillerfan hat der Ort besonders gut gefallen.

Ich danke Kai Uwe Peter von der Deutschen Schillergesellschaft, Anna Kinder und Dilan Cakir für die wunderbare Organisation.

Ich sage mal ganz leichtsinnig: jederzeit wieder!

Keynote Konferenz „Außenpolitik & Games“

Gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt veranstaltete die Stiftung digitale Spielekultur am 13.06.2023 die Fachkonferenz „Public Diplomacy: Außenpolitik und Games“. Darin durfte ich die Keynote zum Thema „Die Macht der Verantwortung“ halten, in der ich über Games aus Deutschland als außenpolitische Visitenkarte sowie Serious Games aus Deutschland sprach.

Das ganze Projekt begeistert mich sehr. Kunst und Kultur repräsentieren die Gesellschaft, aus der sie kommen; folgerichtig sind Computerspiele so gut geeignet für eine Repräsentation Deutschlands im Ausland wie Literatur, Filme, Serien. Unsere Gamesbranche kann meines Erachtens besonders in der Kategorie Serious Games und der historischen Vergangenheitsbewältigung brillieren.

Ich bedanke mich für dieses tolle Projekt herzlich beim Auswärtigen Amt, dass die Finanzierung trägt, und bei Dr. Tabea Widmann, der Leiterin des Projekts in der Stiftung.

Deutscher Computerspielpreis für Beholder 3!

Alle Gewinner des DCP 2023 auf der Bühne im Spindler & Klatt.

Der Deutsche Computerspielpreis DCP wurde am 11. Mai in Berlin vergeben – und was soll ich sagen – wir (das heißt Paintbucket Games) haben gewonnen! Das gekürte Spiel ist Beholder 3, für das wir im Dezember bereits zwei Deutsche Entwicklerpreise erhalten durften.

Beholder 3 gewann den Preis für das Beste Serious Game. Und dann sind wir mit Paintbucket Games als Bestes Studio gekürt worden. Beides ist eine große Ehre!

Von links nach rechts: Lena, Mona, Laura, Jörg, Almut, Vivi und Sebastian mit zwei Statuetten des Deutschen Computerspielpreises für Beholder 3 auf der Preisverleihung 2023.

Die Preisverleihung fand dieses Jahr im Spindler & Klatt direkt an der Spree statt. Vor der Show konnten wir ganz entspannt auf dem Ponton auf dem Wasser entspannen – wobei wir doch sehr aufgedreht waren, ob wir einen Preis erhalten oder nicht.

Lena Falkenhagen, Jörg Friedrich, Sebastian Schulz in einer Sitzecke auf einem Ponton auf der Spree im Spindler & Klatt vor der Preisverleihung des DCP 2023.

Natürlich traf man auch andere tolle Menschen, die man ewig nicht gesehen hat. Ich genieße es ja immer, mich mit den Kollegen aus der Lehre auszutauschen: Mit Eric Jannot, Michael Helbig und Jens Junge kann man phantastisch über Spiele und ihre Struktur abnerden.

Lena mit dem großartigen Eric Jannot vor der DCP-Show.

Die Show ging los, moderiert von Kathrin Bauerfeind und Uke Bosse. Nach drei Jahren, in denen die Verleihung jeweils nur online stattfand, hat die Branche es sichtbar genossen, endlich wieder Life und in Farbe vor Ort zu sein. Hohen Besuch hatten wir auch – Staatssekretär Michael Kellner war persönlich dabei.

Deutscher Computerspielpreis 2023

Und dann hatten wir plötzlich gewonnen – und zwar den Preis für das Beste Serious Game! Ich hatte ja sehr darauf gehofft, diesen Preis zu erhalten, denn das ist ja „meine“ Kategorie. Als Narrative Director für Beholder 3 habe ich harte Arbeit und lange Stunden investiert, um dieses Spiel rund und schön zu machen. Der Preis ist also eine schöne Anerkennung.

Ein Ausschnitt der „Berliner Gewinner*innen“ des DCP auf der Bühne.

Nach der Show konnte man noch zwanglos Zeit im Spindler & Klatt verbringen, leckeren Weißwein trinken und sich miteinander freuen. Die Zeit verging wie im Flug.

Vor der Fotowand des DCP mit Prof. Michael Helbig und Prof. Jens Junge, meinen beiden lieben Kollegen.