Devcom 23 – vom Buch zum Game

Am Montag den 21. August halte und moderiere ich auf der Devcom-Konferenz in Köln, die der Gamescom (der großen Computerspielemesse vorgelagert ist) einen experimentellen Workshop auf Bühne 9 – im Kongresssaal 1.

Das Thema: Vom Buch zum Spiel – Wie funktioniert das eigentlich?

Spiele, die auf Büchern basieren, gibt es viele: The Witcher 3, The Dwarves, Orwell sind gute Beispiele. In diesem einstündigen Workshop werfen die Spieleautorin und Narrative Directorin Lena Falkenhagen (Paintbucket Games), der Visual Development Artist und Storyboarder Klaus Scherwinski, Game Designerin Marta Fijak (Anshar Games) und der Autor Boris Koch einen Blick auf sein Buch „Der Drachenflüsterer“.

Auf Grundlage dieses Buchs werden die Spiele-Experten das Grundkonzept für ein Spiel erstellen. Anhand von Beispielen zeigen sie, welche Aspekte man aus dem Buch herausgreifen kann, wie man die Perspektive wählt, was man in Bezug auf den Autor beachten muss und vielleicht sogar welche rechtlichen Aspekte wichtig sind.

Klingt experimentell? Ist es auch. Ihr könnt euch gerne beteiligen und Anregungen geben oder Fragen zum Thema stellen.

Quartett der Spielekultur im Deutschen Literaturarchiv Marbach

Foto von Eugen Pfister; es zeigt den Humboldt-Saal im DLA. Am Pult Dilan Cakir, auf der Bühne Sebastian Möhring, Sonia Fizek und Lena Falkenhagen, online an der Wand dabei Tracy Fullerton.

Manche Termine sind im Leben etwas ganz Besonderes. Die Tagung Literatur und Games im Deutschen Literaturarchiv war insgesamt einer der Highlights meiner postpandemischen Aktivitäten. Drei Tage akademischer Austausch mit einigen der Größen der europäischen Gamestheorie – das war nicht nur etwas für den Kopf, sondern auch etwas fürs Herz, denn diese Tagung verheiratete meine beiden Herzensthemen – Literatur und Computerspiele – endlich miteinander.

Ich hatte die Ehre, vom Forschungsverbund Marbach-Weimar-Wolfenbüttel eingeladen worden zu sein, um auf der Tagung im ehrwürdigen Humboldt-Saal die neueste Iteration des Quartetts der Spielekultur zu moderieren. Gleichzeitig war ich an allen drei Tagen der Konferenz dabei und habe mir die Vorträge angehört, die tief in die Materie eingestiegen sind.

Mit auf dem Podium dabei waren Sonia Fizek (Cologne Game Lab), Sebastian Möhring (Uni Potsdam, Digarec) sowie Tracy Fullerton (UCLA etc.pp.). Nachschauen kann man das Quartett mit dem Titel „Forking Paths. Narration in Games“ hier.

Am besten gefallen haben mir natürlich die Gespräche über Games Literacy, also das „Wie-liest-man-Games“ der Theorie. Aber auch sämtliche Gespräche über Archivierung (z.B. das man den Prozess der Spieleerstellung nicht vergessen darf) und deren Probleme und was sich dafür eignet (Steam? GoG?) war spannend.

Phantastische Menschen kamen aus Canada und Indien (ich hoffe ich begegne Souvik Mukherjee aus Kalkutta bald wieder!), und ich bin Eugen Pfister zum ersten Mal in Person begegnet, auch wenn er mir von Twitter schon als alter Bekannter vorkam. Und mein lieber Exkollege Csongor Baranyai war dabei; das ist immer eine Freude. Mein Höhepunkt war die Closing Keynote von Espen Aarseth (Uni Kopenhagen), der Fallout: New Vegas als bislang größten Roman des 21. Jahrhunderts bezeichnete …

Neun Menschen nach der Konferenz vor dem Ochsen in Marbach.

Die Tage waren nicht nur wahnsinnig lehrreich und interessant (mit Ausklang im Garten des Schillermuseums und Besichtigung des Museums der Modernen Literatur, wo ich eine Handschrift von Paul Celan und ein handgeschriebenes Gedicht von Ingeborg Bachmann sehen durfte!), sondern im idyllischen Marbach auch geeignet, ein wenig runterzukommen und den sehr betriebsamen Juni angenehm ausklingen zu lassen.

Ich bin immer noch ganz beeindruckt, dass das Literaturarchiv Marbach diese Tagung zur Intersektion von Games und Literatur abgehalten hat und geehrt, dass ich dabei gewesen bin. Mir als altem Schillerfan hat der Ort besonders gut gefallen.

Ich danke Kai Uwe Peter von der Deutschen Schillergesellschaft, Anna Kinder und Dilan Cakir für die wunderbare Organisation.

Ich sage mal ganz leichtsinnig: jederzeit wieder!

Keynote Konferenz „Außenpolitik & Games“

Gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt veranstaltete die Stiftung digitale Spielekultur am 13.06.2023 die Fachkonferenz „Public Diplomacy: Außenpolitik und Games“. Darin durfte ich die Keynote zum Thema „Die Macht der Verantwortung“ halten, in der ich über Games aus Deutschland als außenpolitische Visitenkarte sowie Serious Games aus Deutschland sprach.

Das ganze Projekt begeistert mich sehr. Kunst und Kultur repräsentieren die Gesellschaft, aus der sie kommen; folgerichtig sind Computerspiele so gut geeignet für eine Repräsentation Deutschlands im Ausland wie Literatur, Filme, Serien. Unsere Gamesbranche kann meines Erachtens besonders in der Kategorie Serious Games und der historischen Vergangenheitsbewältigung brillieren.

Ich bedanke mich für dieses tolle Projekt herzlich beim Auswärtigen Amt, dass die Finanzierung trägt, und bei Dr. Tabea Widmann, der Leiterin des Projekts in der Stiftung.

Deutscher Computerspielpreis für Beholder 3!

Alle Gewinner des DCP 2023 auf der Bühne im Spindler & Klatt.

Der Deutsche Computerspielpreis DCP wurde am 11. Mai in Berlin vergeben – und was soll ich sagen – wir (das heißt Paintbucket Games) haben gewonnen! Das gekürte Spiel ist Beholder 3, für das wir im Dezember bereits zwei Deutsche Entwicklerpreise erhalten durften.

Beholder 3 gewann den Preis für das Beste Serious Game. Und dann sind wir mit Paintbucket Games als Bestes Studio gekürt worden. Beides ist eine große Ehre!

Von links nach rechts: Lena, Mona, Laura, Jörg, Almut, Vivi und Sebastian mit zwei Statuetten des Deutschen Computerspielpreises für Beholder 3 auf der Preisverleihung 2023.

Die Preisverleihung fand dieses Jahr im Spindler & Klatt direkt an der Spree statt. Vor der Show konnten wir ganz entspannt auf dem Ponton auf dem Wasser entspannen – wobei wir doch sehr aufgedreht waren, ob wir einen Preis erhalten oder nicht.

Lena Falkenhagen, Jörg Friedrich, Sebastian Schulz in einer Sitzecke auf einem Ponton auf der Spree im Spindler & Klatt vor der Preisverleihung des DCP 2023.

Natürlich traf man auch andere tolle Menschen, die man ewig nicht gesehen hat. Ich genieße es ja immer, mich mit den Kollegen aus der Lehre auszutauschen: Mit Eric Jannot, Michael Helbig und Jens Junge kann man phantastisch über Spiele und ihre Struktur abnerden.

Lena mit dem großartigen Eric Jannot vor der DCP-Show.

Die Show ging los, moderiert von Kathrin Bauerfeind und Uke Bosse. Nach drei Jahren, in denen die Verleihung jeweils nur online stattfand, hat die Branche es sichtbar genossen, endlich wieder Life und in Farbe vor Ort zu sein. Hohen Besuch hatten wir auch – Staatssekretär Michael Kellner war persönlich dabei.

Deutscher Computerspielpreis 2023

Und dann hatten wir plötzlich gewonnen – und zwar den Preis für das Beste Serious Game! Ich hatte ja sehr darauf gehofft, diesen Preis zu erhalten, denn das ist ja „meine“ Kategorie. Als Narrative Director für Beholder 3 habe ich harte Arbeit und lange Stunden investiert, um dieses Spiel rund und schön zu machen. Der Preis ist also eine schöne Anerkennung.

Ein Ausschnitt der „Berliner Gewinner*innen“ des DCP auf der Bühne.

Nach der Show konnte man noch zwanglos Zeit im Spindler & Klatt verbringen, leckeren Weißwein trinken und sich miteinander freuen. Die Zeit verging wie im Flug.

Vor der Fotowand des DCP mit Prof. Michael Helbig und Prof. Jens Junge, meinen beiden lieben Kollegen.

Vier Nominierungen des Deutschen Computerspiele-Preises für Beholder 3!

Logo des Spiels Beholder 3, mit einem Mann, der durch die Lamellen eines Fensterrollos späht.

Gestern war Welttag des Erzählens. Und gestern wurden die Nominierungen für den Deutschen Computerspiele-Preis (DCP) veröffentlicht.

Mein letztes Computerspiel, Beholder 3, das ich mit Paintbucket Games als Narrative Director erstellt habe, ist unter den Nominierten gleich vier mal dabei!

Nominiert ist Beholder 3 für die Kategorien:
Bestes Deutsches Spiel
Bestes Serious Game
Bestes Audio Design
– und Paintbucket Games ist als Bestes Studio nominiert!
Hier ist die Liste aller Kategorien und Nominierungen des DCP23 zu finden.

Ich freue mich riesig, dass das Spiel, in das ich 2020-2021 so viel Herzblut investiert habe, neben dem Deutschen Entwicklerpreis (DEP) für „Beste Story“ und „Bestes Spiel“ auch beim DCP die Herzen der Juries erwämt hat.

Lena Falkenhagen hält den Deutschen Entwicklerpreis 2022 für die „Beste Story“ für Beholder 3 in der Hand. Im Hintergrund die Gala zur Preisverleihung in Köln.

Meinen aufrichtigen Dank an das Team von Paintbucket Games, alle, die am Narrative mitgearbeitet haben, sowie im Besonderen Almut Schwacke, die das phantastische Audio Design für Beholder 3 gemacht hat!

Mein einziges Bedauern rund um den DCP ist, dass auch dieses Jahr leider keine Kategorie für „Beste Games-Erzählung“ oder „Beste Story“ dabei ist. Früher war Narrative so ein bisschen in der Kategorie „Weltenbau und Atmosphäre“ dabei, jetzt gibt es eigentlich keine Kategorie mehr, die das Narrative Design, dass doch so viel des Erst- und Zweiteindrucks von Computerspielen ausmacht, abbildet.

Trotzdem danke ich der Jury von Herzen und freue mich auf die Preisverleihung!

Welttag des Erzählens

Ein Bild der steinernen Kleinen Meerjungfrau aus der Erzählung von Hans Christian Andersen. Fotografiert in Kopenhagen von hinten, vom Schiff, bei strahlendem Sonnenschein, mit am Strand stehenden Touristen.

Gerade erfuhr ich, dass heute, am 20.03., Welttag des Erzählens ist. Diese wundervolle Tradition hat offenbar aus Schweden zu uns gefunden. Ich kann sie nur vollen Herzens unterstützen.

Wenn ich mich fremden Menschen vorstelle, rücke ich oft verschiedene Berufsbezeichnungen in den Vordergrund. In der Games-Branche sage ich oft „Narrative Designerin“. Spreche ich mit Menschen aus der Buchbranche, bin ich „Schriftstellerin und Games-Autorin“, weil der Begriff „Narrative“ dort nicht so recht bekannt ist.

Zu Beginn meiner Karriere passte die Schriftstellerin ganz gut, denn ich schrieb fast ausschließlich Romane und Kurzgeschichten. Vorher schrieb ich Rollenspielpublikationen und manchmal Liferollenspiele. 2012 erarbeitete ich mir das Standbein als Narrative Designerin, was heute einen Großteil meiner Beschäftigung ausmacht. 2020-21 kamen Hörbücher für Audible hinzu.

Da es den Begriff „Schriftstellerin“ im Englischen nicht so recht gibt („Author“ im Gegensatz zu „Writer“ vielleicht), beschreibe ich mich dort oft als „professional storyteller“. Denn das trifft es. Ich liebe das Erzählen in all seinen Spielformen. Das Medium ist mir dabei nicht so wichtig – oder doch auch, denn ich erforsche gern unterschiedliche Erzählformen für unterschiedliche Medien, seien sie digital oder analog.

In diesem Sinn wünsche ich also einen frohen Welttag des Erzählens heute!

Erzählt euch Geschichten, denn Geschichten machen glücklich, können uns Dinge lehren, Warnungen aussprechen, uns selbst ein Stück weit erkennen helfen und bringen Menschen zusammen.

Radiobeitrag „Zwischen Open Access und Kommerz“ im rbb

Der Dom zu Berlin bei Nacht im Dezember. Mein alter Kietz.

Am 6. Dezember 2022 saß ich in der James-Simon-Galerie in Berlin in einer Podiumsdiskussion, die den unangenehmen Titel „Kultur zwischen Open Access und Kommerz“ führte. Dieser Titel war unglücklich gewählt, denn zunächst mal versucht eine Autorin, versucht ein Musiker ja von seiner Hände Arbeit zu leben. Wir reden hier also nicht über eine Kommerzialisierung. (Danke hier an Matthias Hornschuh, der das gewohnt gut auf den Punkt brachte).

Die zwischendurch etwas hitzige Debatte wurde von dem Moderator Harald Asel sehr souverän mit Christian Humborg von Wikimedia Deutschland, Patricia Rahemipour (Direktorin Institut Museumskunde) und Christoph Deeg sowie mir für den Verband deutscher Schriftsteller*innen geführt.

Mein Dank geht an Olaf Zimmermann vom Deutscher Kulturrat für die Einbindung der Urheberschaft, an Gero Dimter von der James-Simon-Galerie für die Gastfreundschaft und Harald Asel vom rbbKultur.

Meine Meinung: Wir müssen das digitale Bullshit-Bingo beenden und diskutieren, wie unsere immer mehr zu Alles-umsonst tendierende Gesellschaft Künstler*innen vergüten möchte. Wir benötigen eine Strukturförderung für Kunst und Kultur.

https://www.inforadio.de/rubriken/debatte/das-forum/2023/01/digitalisierung-kultur-angebot-finanzierung.html

Zwei Preise für Beholder 3 beim Deutschen Entwicklerpreis!

Von links nach rechts: Sebastian, Jörg, Lena, Mona, Jona auf der Bühne mit Preis Bestes Game Beyond Entertainment.

https://games.nrw/Der Deutsche Entwicklerpreis ist eine vom Verband games:nrw organisierte Preisverleihung aus der Branche; in der Jury sitzen Vertreter*innen aller Disziplinen der Computerspiele-Branche. Die Preise werden einmal im Jahr in Köln verliehen und sind undotiert (bis auf den Preis für den Newcomer des Jahres).

Dieses Jahr war das Spiel Beholder 3 von Paintbucket Games (Publisher: Alawar) in zwei Kategorien nominiert, Beste Story und Best Game Beyond Entertainment.

Ich hatte als Narrative Director des Spiels auf einen von beiden Preisen gehofft – natürlich auf den für die beste Story – aber dass wir schlussendlich beide Preise erhalten würden, davon habe ich nicht zu träumen gewagt.

Ich danke den Jurys der beiden Kategorien, in denen ich selbst schon so oft gesessen habe und die Qual der Wahl hatte – wie schön, dass ich dieses Jahr nicht die Entscheidungen treffen musste! Besonders das Spiel von Anomaly Games, The Fermi Paradox hätte ich auch auf dem Treppchen gesehen …

Auf der Bühne der Verleihung des Deutschen Entwicklerpreises bei der Dankesrede für die „Beste Story“: Jörg, Sebastian, Lena, Jona und Mona mit der Moderatorin Deborah. Mona hält den Preis, Jona die Urkunde, Lena das Mikro. Bild von Tabea Widmann.

Für Beholder 3 habe ich den strategischen Erzählbogen, den Questaufbau, viele, viele Dialoge geschrieben und lektoriert. Es war mir ein Fest. Und für kurze Zeit durfte ich den Preis, der natürlich an Paintbucket Games geht, festhalten:

Lena mit der Statuette des Entwicklerpreises „Beste Story“ für Beholder 3

Der Abend im Palais am Zoo in Köln war ganz zauberhaft; es war die erste Präsenzverleihung der Entwicklerpreise seit Beginn der Pandemie. Besonders die Begegnung mit den Kolleg*innen freute mich sehr, denn wir begannen die Arbeit Ende 2019; im März 2020 begann die Pandemie, so dass wir viel online zusammengearbeitet haben und viele Meetings über Discord stattfanden.

Ich danke dem besten Team der Welt (nicht auf der Bühne: Mona, Manu, Sam, Hannah) und freue mich auf die weitere Zusammenarbeit beim aktuellen Spiel mit Paintbucket Games: The Darkest Files.

Key Art vom neuen Paintbucket-Spiel „The Darkest Files“. Zu sehen die Hauptfigur Esther Katz, eine Staatsanwältin in Fritz Bauers Abteilung, die ehemalige Nazis in der jungen BRD ihrer Verbrechen zu überführen versucht.

Nachruf Karl-Heinz Witzko

Grabkranz mit Foto von Karl-Heinz Witzko und Inszenierten Kerzen

Am Donnerstag den 17.11.2022 trugen wir unseren Freund und alten Weggefährten Karl-Heinz Witzko in Bremen auf dem Riensberger Friedhof zu Grabe.

Karli war ein Weggefährte aus einer Zeit, in der ich beruflich Wurzeln schlug. Mit dem Schwarzen Auge machte ich die ersten Schritte ins Schreiben, in die Branche, die mir später so viel bedeuten würde: die Buchbranche; gleichzeitig aber auch der Weg in die Spielebranche.

Ich lernte Karli 1993 im Rahmen des Baronsspiels des Rollenspiels Das Schwarze Auge kennen. Als streitbare Menschen ordnete der damalige Redakteur Niels Gaul uns beide in die Region Almada ein, jenen Landstrich nicht minder streitbarer Helden.
Es ergab sich sehr schnell ein enger Kontakt über Redaktionsarbeit und -Sitzungen, über das Schreiben von Artikeln des Aventurischen Boten, jener größtenteils intradiegetischen Zeitung der Welt Aventurien.

In der Redaktion des Schwarzen Auges war Karli immer auch der Verfechter der Außenseiter, die nicht im Schlaglicht der Aufmerksamkeit standen. Er wählte die Randregionen wie Maraskan, Nostria – Landstriche, in denen man noch frei erzählen konnte; in denen man noch absurd sein konnte; menschlich sein konnte.

Ein hölzerner Diskus nach maraskanischem Vorbild, gefertigt von Wolf Craft Armour.

Karli war sicher auch einer der intelligentesten Menschen, die ich kenne, und hinterfragte vieles, wenn nicht alles, was ihm begegnete. Unter den 10-12 Dickköpfen in der Redaktion war er sicher der dickköpfigste. Er war auch einer von anfangs vielen Kettenrauchern, die dafür sorgten, dass man in Redaktionssitzungen die Luft mit dem Messer schneiden konnte. Manchmal lag es auch am Zigarettenrauch.

Karli blickte scharfäugig durch Widersprüche in Argumentationsketten und Meinungen. Ich sehe ihn vor mir, wie er sich mit vor Spannung bebender Lippe zurückhalten musste, wenn er zu einer Antwort ansetzte, von der er wusste oder ahnte, dass man sie nicht verstehen würde, weil man seine aus obskuren Quellen stammenden Referenzen (feministischer französischer Jazz?) nicht verstand, oder sich selbst mit den eigenen Denkansätzen den Blick auf die Logik verstellte.

Anfang der 2000 feierten mein damaliger Lebensgefährte, einige Freunde und ich gemeinsam mit Karli Rollenspielrunden zu Silvester, in denen wir DSA spielten. Dabei rauchte Karli so viel, dass er nach einem ausgesprochen kalten Silvester, das er strickt vor der Tür rauchen musste, mit einer Lungenentzündung im Bett lag. Die Zigaretten reduzieren ging aber leider nicht.

Er spielte seinen Graf Danilo, einen Elfen, der sich zu den Menschen gesellt hatte. Manchmal ließ sich dieser Elf auch dazu herab, sich in deren Belange einzumischen. Dies einte viele seiner Figuren – der Mangel an Motivation, sich in das menschliche Chaos hinabzubegeben.

Der übergewichtige Moha, der Elf im Menschenadel, der maraskanische Mörder im Exil – Karlis Charaktere waren wieder Außenseiter, die die Menschen mit unverstelltem Blick mit Abstand analysieren und bewerten konnten.

Ich frage mich, ob dieser Topos in ihm eine besondere Resonanz besaß.

Auszug mit Urne und Kranz zum Grab.

Karli schrieb auch nach dem Schwarzen Auge weiter; doch wie bei vielen anderen Autor*innen erwies sich dieser Beruf nicht als Spaziergang. Doch er begleitete einige hier auf dem Weg weiter, und spielte auch trotz Pandemie DSA– wie so viele von uns fanden die Runden online statt.

Die letzten Jahre von Karlis Lebens waren von Krankheit geprägt. Schließlich versagte ihm der Körper den Dienst bei einer Krebstherapie.

Ohne seine Online-Runde hätten wir von Karlis Tod vermutlich erst Wochen später erfahren. Wir haben es Annika Rödders dunklen Ahnungen, Telefonaten und Organisation zu verdanken, dass wir von seinem Tod wissen und gemeinsam an seinem Grab stehen konnten.

Jörg (Hampi) Middendorf haben wir zu verdanken, dass wir ohne viel Gedöns so manche Grenze der Bürokratie überwinden konnten.

Abschied am Grab.

Und so Recht es Karli wohl gewesen wäre, sich aus dem Leben zu schleichen; er geht doch nicht unbemerkt. Viele Menschen trugen zu seiner Beerdigung bei. Das zeigt, wie viele Menschen von Karli Abschied nehmen möchten. Wir bedanken uns für die atemberaubende Beteiligung.

Karli hinterlässt eine Lücke in einem Freundeskreis, der sich gegenseitig oft aus den Augen lässt, aber doch nie so ganz aus dem Blick verliert.

Karli schrieb selbst in einem seiner Maraskan-Romane: „Wir kommen, wir gehen und wir kommen wieder.“

Das ist zwar der Glaubenssatz einer fiktiven Religion eines Fantasy-Rollenspiels, aber er wirkt auf seiner Beerdigung angemessen.

Also: Komm bald wieder, Karli.

Bis dahin: Mach es gut.

Nina Wendelken, Friederike Hölscher, (Bernhard Hennen, verborgen), Jörg Middendorf, Lena Falkenhagen

Ein Dank für die musikalische Untermalung der Trauerfeier gilt Friederike Hölscher und Nina Wendelken, die live für den feierlichen Rahmen sorgten, und Blue Sid, der eine Coverversion für den Ausmarsch einspielte.

Und wer Karli nun auf dem Friedhof besuchen möchte, dem sei diese Ansicht mitgegeben, um sich zu orientieren. Der Riensberger Friedhof hat einen Parkplatz an der Friedhofstraße, auf dem man das Auto stehen lassen kann.

Alle Bilder (bis auf das Foto des Übersichtsplans) sind von Hacky Hackbart. Vielen Dank dafür.