Ein Nachruf auf Ursula K. Le Guin
Ihr erstes Buch, in dem Fantasy und Science Fiction verschmelzen, veröffentlichte Ursula K. Le Guin 1966. Schon in den siebziger Jahren galt sie als eine der Größen der amerikanischen Phantastik. Sie gewann zu Lebzeiten Dutzende Preise und Lifetime-Awards; unter anderem wurde sie im April 2000 von der amerikanischen Library of Congress zur Lebenden Legende im Bereich Kunst und Literatur erhoben. Am 22. Januar 2018 starb Ursula K. Le Guin und hinterlässt ein reiches phantastisches Erbe.
Mir begegnete Ursula K. Le Guin zum ersten Mal durch ihren Erdsee-Zyklus. Diese spannende, düstere und sehr charaktergetriebene Fantasy hob sich erfrischend von den anderen erfolgreichen Epen dieser Zeit ab. Die Welten, in denen Ursula K. Le Guins Geschichten spielten, waren nicht nur phantastisch, sie waren auch glaubhaft.
Natürlich kamen wie nach den Genre-Konventionen üblich, Drachen, Raumstationen, Zauberei oder düstere Götterkulte in ihren Büchern vor. Doch die Figuren bleiben nicht schablonenhaft. Kein Macho-Gehabe prägt die Protagonisten, Frauen sind ebenso wichtig und tief angelegt wie die Männer. Ihr Buch „The Left Hand of Darkness“, das auf einem Planeten spielt, auf dem das Geschlecht der Bewohner nicht festgelegt ist, gewann sowohl den Hugo- wie auch den Nebula-Award. Diese beiden Preise erhielt sie hier zum ersten, aber nicht zum letzten Mal.
Wo sonst Volkszugehörigkeiten an den Haarfarben abgelesen werden konnten und ganze Rassen dem Bösen verfallen waren, erfand sie Universen, in denen Geschlecht oder Hautfarbe nebensächlich und – vor allem – gemischt war. Diese feministische und antirassistische Haltung zieht sich durch Le Guins ganzes Werk.
„Bücher sind nicht nur Verbrauchsgüter“, sagte sie bei der Verleihung des National Book Awards. „Uns erwarten harte Zeiten, in denen wir uns nach den Stimmen von Autorinnen und Autoren sehnen werden, die Alternativen zu unserer jetzigen Lebensweise aufzeigen können. Die unsere angstgeleitete Gesellschaft und ihre obsessiven Technologien durchschauen und neue und wahre Gründe für Hoffnung finden können.“
Phantastik hatte für Le Guin immer auch eine gesellschaftliche und politische Verantwortung. Für sie bedeutete Autorenschaft einzustehen für Offenheit, Toleranz und Freiheit. „Gerade jetzt benötigen wir Autorinnen und Autoren, die den Unterschied zwischen der Produktion eines Verkaufsguts und dem Ausüben einer Kunst erkennen“, sagte sie bei der Preisverleihung. Nie waren ihre Worte wahrer als jetzt.
Ursula, deine Stimme wird vermisst werden.
Es ist an der jetzigen Generationen von Autorinnen und Autoren der Phantastik, in ihre Fußstapfen zu treten, unsere Gesellschaft zu hinterfragen und Visionen einer besseren Zukunft zu entwerfen.