Archiv der Kategorie: Allgemein

Radiobeitrag „Zwischen Open Access und Kommerz“ im rbb

Der Dom zu Berlin bei Nacht im Dezember. Mein alter Kietz.

Am 6. Dezember 2022 saß ich in der James-Simon-Galerie in Berlin in einer Podiumsdiskussion, die den unangenehmen Titel „Kultur zwischen Open Access und Kommerz“ führte. Dieser Titel war unglücklich gewählt, denn zunächst mal versucht eine Autorin, versucht ein Musiker ja von seiner Hände Arbeit zu leben. Wir reden hier also nicht über eine Kommerzialisierung. (Danke hier an Matthias Hornschuh, der das gewohnt gut auf den Punkt brachte).

Die zwischendurch etwas hitzige Debatte wurde von dem Moderator Harald Asel sehr souverän mit Christian Humborg von Wikimedia Deutschland, Patricia Rahemipour (Direktorin Institut Museumskunde) und Christoph Deeg sowie mir für den Verband deutscher Schriftsteller*innen geführt.

Mein Dank geht an Olaf Zimmermann vom Deutscher Kulturrat für die Einbindung der Urheberschaft, an Gero Dimter von der James-Simon-Galerie für die Gastfreundschaft und Harald Asel vom rbbKultur.

Meine Meinung: Wir müssen das digitale Bullshit-Bingo beenden und diskutieren, wie unsere immer mehr zu Alles-umsonst tendierende Gesellschaft Künstler*innen vergüten möchte. Wir benötigen eine Strukturförderung für Kunst und Kultur.

https://www.inforadio.de/rubriken/debatte/das-forum/2023/01/digitalisierung-kultur-angebot-finanzierung.html

„Europa Erlesen“ – Literatur und Games

EUROPAerlesen

Europa liest, und das ist gut so. Die erste Veranstaltung der Reihe „Europa Erlesen“ dreht sich allerdings um die Intersektion zwischen Literatur und Computerspielen.

Wir sprechen über die Entstehung von Computerspielen aus literarischen Vorlagen, über das Entstehen von Büchern und Comics aus Computerspielen, und darüber, ob Computerspiele als Literatur bezeichnet werden können, oder nicht.

„EuropaErlesen“

am  

Montag, den 2. Mai 2022,

von 17:00 bis ca. 19:00 Uhr

in der Zentralbücherei Düsseldorf
Konrad-Adenauer-Platz 1
40210 Düsseldorf

Ich darf die Veranstaltung moderieren und freue mich auf die Gäste:

Philipp Weber
Narrative Designer, CD Project Red (u.a. The Witcher)

Etienne Bouvier
Transmedia Content Manager, Ubisoft (u.a. Assassin´s Creed)

Michael Serrer
Leiter des Literaturbüros Nordrhein-Westfalen 

Die Begrüßung erfolgt durch den Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten
sowie Internationales des Landes Nordrhein-Westfalen, Dr. Stephan Holthoff-Pförtner.

Die Veranstaltung findet im Rahmen des Frankreich-Polen-NRW-Jahres statt.

Frankreich-Polen-NRW-Jahr

Anmeldungen für die Präsenzveranstaltung bitte an europaerlesen@stk.nrw.de

Für eine Online-Teilnahme (über zoom und twitch) bitte das Formular auf dieser Seite ausfüllen.

Die Veranstaltung findet in deutscher Sprache statt und wird auf zoom simultan ins Englische übersetzt.

Polit-Satire „Beholder 3“ im Spannungfeld des Kriegs

Beholder 3 von @Paintbucket Games

Spiele zu entwickeln ist ein komplexer Prozess. Ich darf verkünden: Beholder 3 ist erschienen, und es macht sich sowohl im Verkauf wie auch in der kritischen Presse sehr gut. Dabei geriet das Spiel kurz vor Veröffentlichung in die Finanzfronten des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine.

Im Oktober 2020 begann für mich die Arbeit mit dem berliner Gamingstudio Paintbucket Games an „Beholder 3“. Am 3.3. 2022 erschien das Spiel nach 17 Monaten Entwicklung. Der Publisher, Alawar, ist ein russisches Unternehmen, das bereits Beholder und Beholder 2 von russischen Studios hat anfertigen lassen. Über Through the Darkest of Times ist Alawar dann auf Paintbucket Games aufmerksam geworden. Und Paintbucket bat mich, Narrative Director des Spiels zu sein.

In Beholder 3 spielen wir Frank Schwarz, einen zum Hausmeister einer staatlichen Liegenschaft degradierten Beamten des Heimatschutzministeriums. Sein Auftrag: seine Nachbarn zu überwachen. Wir bespitzeln, beobachten, denunzieren und kompromittieren die Menschen um uns herum, um in einem System zu überleben, das keine menschlichen Züge mehr trägt. Überwacht werden wir von der allmächtigen Lotte Altmann, ihres Zeichens Chefin des Ministeriums.

Lotte Altmann, Chefin des Ministeriums

Die „Größte Union“ und der „Große Anführer“ sind dabei auf die satirische Spitze getriebene Stellvertreter für totalitäre Systeme auf der ganzen Welt. Von Beholder unterscheidet sich Beholder 3 dadurch, dass ein der Perestroika nicht unähnlicher Systemfrühling angebrochen ist, in dem sich die Hardliner, die Reformer und die Revolutionäre gegenüber stehen und alle wissen, was das beste für die Größte Union und ihre Bewohner*innen ist.

Ich liebte Beholder, mochte Beholder 2 und freute mich daher königlich über die Anfrage von Jörg Friedrich, an Beholder 3 mitzuarbeiten. Mir war wichtig, die Situation von Frauen in einem totalitären Staat zu beschreiben und eine lesbische Storyline einzuweben, die für die Entscheidung der Spieler im Verlauf sehr relevant werden würde. Alawar stimmte dem zu, was ich für ein russisches Studio im 2020 gegebenen Klima erfreulich fand.

Kim Schwarz, unsere Tochter, hat noch nie so in die Gesellschaft gepasst. Auch Frank weiß anfangs nicht, dass sie einen sogenannte „Nonkonforme“ ist, eine Verklausulierung für Menschen, die bei homosexuellem Verhalten erwischt werden. Über den Verlauf des Spiels muss man sich als Frank Schwarz dann entscheiden, ob man seine Karriere im System über das Wohl seiner Lieblingstochter Kim stellt.

Frank Schwarz und seine Tochter Kim mit ihrem neuen Haustier, einer Ratte.

Was am Anfang nach einem gemeinsamen Plan für mehr Sichtbarkeit von LGBTIQ+ aussah, entwickelte sich dann mit dem Krieg Russland gegen die Ukraine zum Nervenspiel. Plötzlich musste ich mir Gedanken darüber machen, ob meine lesbische Storyline wichtig genug ist, dass andere Menschen in Russland dafür vielleicht ins Gefängnis gehen müssen.

Und auch auf wirtschaftlicher Seite wurde es noch ein Veröffentlichungsthriller: Beholder 3 sollte am 3.3.2022 auf Steam erscheinen. Am 2.3. schloss Steam den russischen Markt (verständlicherweise), um mit den Sanktionen des Westens gegen Russland auch hier die Geldströme zu unterbrechen. Für Beholder 3 fiel damit ein Drittel des angestammten Marktes weg, wie Jörg Friedrich in diesem Interview des Deutschlandfunks angibt. Und wir wussten nicht, ob es Alawar noch lange geben würde, wenn diese ihre Angestellten nicht bezahlen können.

All das ist ein kleines Opfer in einem großen, schrecklichen Kriegsgeschehen – und spielt natürlich im Vergleich zu den Menschenleben und Existenzen, die gerade in der Ukraine von den Bomben vernichtet werden, keine große Rolle.

Das Beispiel Alawar und Beholder 3 zeigt aber auch, dass die Sanktionen auch fortschrittliche, offene Kulturschaffende betreffen, die mit ihren Werken auf dem russischen Markt etwas bewirken könnten. Und sei es die Empathie mit dem Leid einer jungen lesbischen Frau in der Größten Union aufzubringen, die einfach nur versucht, sie selbst zu sein und ihr Leben zu leben, und am System zerschellt.

#Bissfest|er Podcast

Obwohl im Umzug begriffen, hat mich Stephan Reichart, der Managing Director der Devcom-Konferenz, in seinen Podcast #Bissfest eingeladen.

Eigentlich wollten wir über Essen reden, da Stephans Leben sich stark um Kochen, das Essen und das Genießen dreht. Das gelang nur so halb.

Stattdessen sprachen wir über meine Anfänge und die ersten Romane, über schwule und bisexuelle Charaktere in Fantasy, darüber, warum George RR Martin sich in den Plotsträngen von Game of Thrones total vergaloppiert hat, über das Leidenlassen von seinen Figuren und viel, viel mehr.

Eigentlich höre ich mir selbst ungern zu, aber dieser Podcast ist hochvergnüglich geworden.

Stephan streamt auch viel und gern auf Twitch, manchmal über Games, sehr oft über das Kochen.

She likes Tech-Podcast

Letzte Woche luden mich Svea Eckert und Eva Köhler vom NDR-Podcast „She likes Tech“ ein, über Games zu reden.

Ich beging den Fehler, ein denkwürdiges Zitat zu liefern, das natürlich sofort in die Überschrift verwandelt wurde: „Sei kein Arschloch!“ Das ist mein Credo in der Gamesbranche, in der viele Menschen aus unterschiedlichen Bereichen und Disziplinen zusammenkommen und miteinander arbeiten müssen. Damit meine ich natürlich, dass man sich gegenseitig – und der Expertise des Gegenübers – Respekt entgegenbringen muss. Schlussendlich arbeiten wir alle daran, dasselbe Spiel so großartig wie möglich werden zu lassen.

Ich bin ja eigentlich keine Tech-Frau – zumindest sehe ich mich nicht so – sondern Autorin für Computerspiele. Insofern habe ich in den ersten Zeilen des Interviews vergessen gehabt, was mein erster Rechner war und ob damals Spiele darauf liefen. Antwort: Es war ein 2-84er. Und vermutlich lief damals so etwas wie „HEXEN!“ und Summer Games oder so. Das ist ja nun auch schon 30 Jahre her …

She likes Tech auf der Homepage des NDR. Schaut gern rein und abonniert diesen interessanten Podcast!

Interview im Deutschlandfunk

Der Deutschlandfunk interessiert sich immer mehr auch für das Schreiben für Computerspiele – und wie es sich vom Schreiben für andere Medien unterscheidet.

So kam es, dass ich am 12.12. um 10h life im Studio zu Gast war, um mit Moderator Frank Meyer über Spiele, Hörbücher und Romane zu sprechen.

Themen waren unter anderem Drakensang Online, Through the Darkest of Times, und mein Hörbuch Das Rabenmädchen – Arkenhall 1, das unter dem Gemeinschaftspseudonym Jaycee Falconer entstand (mit Johanna Gerhard und Sonja Rüther).

Hört gern direkt beim DLF rein!

Musik berührt die Seele

Ein Stück, das die Seele öffnet, berührt und zu Tränen rührt.

Corona macht dünnhäutig, das merke ich seit März. Ich begrabe mich in Arbeit, Engagement und Projekten. Ich richte den Blick auf die Füße und schaue mich nicht um, bis das Problem vorbei ist und Heilung beginnen kann. Das ist meine Strategie für seelische Gesundheit – die doch durch die Länge der Pandemie herausgefordert wird.
Und dann kommt Annie Lennox daher und sprengt die Mauer, die ich sorgsam um mich errichtet habe, und leitet die Heilung ein. Die ersten Tönen ihrer Stimme in Henry Purcells „Dido’s Lament“ bürsten mich gegen den Strich und streicheln mir doch die Seele.

An diesem Stück ist so vieles 2020:

Das Format: aufgenommen via Zoom. Die Unfähigkeit, Chormusik aufzuführen. Die verzweifelte Suche nach Ersatz für etwas, das eigentlich auf eine Bühne gehört. Kultur am Limit.

Das Arrangement: Ein Chorsatz mit Piano und Spinett. Die barocken Elemente als Hommage an Henry Purcells Original. Die Aufnahme des Alten, des Schonimmerdaseienden, die Heirat von klassischer Musik und Pop (die ich eigentlich nicht mag) par excellence.

Der Grund: Die Sorge um das Klima, verbunden mit dem Spendenaufruf an Greenpeace. Der Versuch, mit Musik Herzen zu rühren, wo es Worte nicht vermögen. Das tut der Autorin in mir weh und gut.

Die Inszenierung: alle tragen schwarze Kleidung, einer Lamentierung angemessen. Sie erblühen wie das Klima in Farbe, wenn sie singen, wenn man sie beachtet. Wieder genau wie die Kultur, die nur durch die Begegnung auflebt.

Und dann meine Unfähigkeit, die Tränen zu stoppen, weil die Musik wie so oft unerwartet jeden Panzer sprengt. Auch das ist 2020.

Ich wünsche mit diesem Lied einen guten Rutsch, ein wunderbares 2021, und uns allen wieder mehr Begegnungen, mehr Kultur und damit mehr Heilung von diesem bizarren Jahr.

Für mich ist der gute Vorsatz gefasst: 2021 wird wieder gesungen. Egal wie, egal wo, egal ob wieder Chor oder Solo.

Musik berührt das Herz.


Kulturell bedeutsame Spiele

Immer wieder fragen mich kulturell interessierte Menschen, wie man einen sanften Einstieg in das Spielen von Videospielen empfehlen könnte; und oft folgt dann ein „aber bitte, ohne Menschen totschießen zu müssen.“ Es ist mir ein Ansporn aufzuzeigen, dass Computerspiele sich längst jenseits der Kinder- und Killerspiele entwickelt haben und eine große Bandbreite wie andere Formate (Literatur, Filme, Serien) besitzen.

In dem Interview, das Axel Weidemann mit mir am 13.07. in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung machte, habe ich schon ein, zwei Empfehlungen über Computerspiele und ihre kulturelle Bedeutung, aber auch ihren Spaßfaktor und meine Erwartungen an sie ausgesprochen. Und im „Games & Kaffee“-Format auf dem Twitch-Kanal der Devcom Conference sprechen Stephan Reichart und seine Gäste, zu denen ich mich ebenfalls zählen durfte, Dienstags und Donnerstags auch viel über Spiele, die für Einsteiger*innen geeignet sind.

Da das Interview aus einem dreistündigen Gespräch auf einer Zeitungsseite Platz haben musste, konnte naturgemäß nicht alles Erwähnung finden, über das wir sprachen. Daher möchte ich hier im folgenden einige Spieleempfehlungen für Interessierte geben, die ich auch kulturell wertvoll finde.

Kurz vorweg: es empfiehlt sich, ein kostenloses Konto bei der Spieleplattform Steam. Steam ist die Kauf- und Downloadplattform für Spiele schlechthin; alle Spiele, die ich hier empfehle, lassen sich darüber erstehen (entweder per Kreditkarte, Abbuchung oder Paypal). Alle Spiele lassen sich auf dem PC installieren und mit Maus und Tastatur spielen (es sei denn, ich benenne in der Beschreibung eine andere Plattform).

Diese Liste erhebt natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit und soll nicht implizieren, dass andere Spiele nicht kulturell bedeutsam sind. Diese finde ich nur besonders einsteigerfreundlich und gesellschaftsrelevant.

Die vier Spiele, die ich in diesem Beitrag vorstellen möchte, sind Dear Esther, Sea of Solitude, Orwell und Through the Darkest of Times.

Dear Esther

Dear Esther Landmark Edition, The Chinese Room

Dear Esther“ ist ein Walking Simulator des britischen Studios The Chinese Room und sowohl für iOs wie PC erhältlich. Das Spiel eignet sich hervorragend für den Einstieg, wenn man noch gar keine Erfahrung mit Computerspielen hat. Gute Englischkenntnisse sind allerdings erforderlich.

In dem Spiel erforscht man eine Insel und die Spuren vorheriger Bewohner*innen, während ein Mann an Dramatik gewinnende Briefe an die titelgebende Esther vorliest. Die Grafik wurde in einem Update (The Landmark Edition) überarbeitet, die Atmosphäre ist atemberaubend. Das Tempo, in dem man spielt, kann man sich selbst wählen, es besteht kein Zeit- oder Handlungsdruck.

Die Anforderung an Spielende besteht aus Gehen, Zuhören und Schauen. Die literarische Faszination besteht aus der Wechselwirkung zwischen den vorgelesenen Briefen und den Spuren der Bewohnung auf der Insel; man stellt sie ständig in einen Kontext, ohne je so ganz aufschlüsseln zu können, wer man ist oder wie man in Beziehung zum Vorleser, zu Esther oder den in den Briefen erwähnten Personen steht.

Man sollte das Spiel in einem Rutsch durchspielen; das ist in gut zwei Stunden möglich, je nachdem, wieviel Zeit man sich lässt. Ich spreche eine leichte Melancholie-Warnung für das Finale aus.

Sea of Solitude

Sea of Solitude, Jo-Mei Games

Mit Sea of Solitude verarbeitete das deutsche Studio Jo-Mei Games, geführt von Cornelia Geppert, eine persönliche Depressionserfahrung auf eindrucksvolle Weise. Herausgekommen ist ein Spiel über die düsteren Teile der eigenen Seele, das Bewältigen von psychischen Blockaden und Problemen, und die Aussicht, dass es in jeder Lebenslage Hoffnung gibt.

Seit dem Release des Spiels fand Cornelia in Electronic Arts einen internationalen Publisher, erhielt mehrere Preise für das Spiel, wurde in New York zu einem TED-Salon-Talk eingeladen und erhielt Deutschlandweit Anerkennung für ein Spiel, das nicht ganz ein sogenanntes „Serious Game“ ist, aber auch mehr als Unterhaltung.

Das Spiel richtet sich von der Steuerung her nicht an vollständige Neuanfänger, die Bedienung lernt sich aber schnell und ist nicht anspruchsvoll.

Sea of Solitude, Jo-Mei Games

Orwell

Orwell, Osmotic Studios

Auch „Orwell“ ist ein ruhiges Spiel, in dem man das Tempo selbst bestimmen kann. Thema ist hier Überwachung, frei nach George Orwell, der das prägende Buch „1984“ zu dem Thema geschrieben hat. Das Entwicklerstudio Osmotic sitzt in Hamburg.

In „Orwell“ sitzt man als Angestellte*r eines diktatorischen Staates hinter seinem Rechner und überwacht Menschen und ihre Kommunikation. Internet-Beiträge, SMS, Telefonanrufe, e-Mails, Homepages und private Akten – alles steht einem früher oder später zur Verfügung.

Ziel des Spiels ist es, die Terrorgefahr von Systemfeinden einzuschätzen. Man kann Abschnitte und Aussagen in die Akte der betroffenen Personen ziehen, man kann Netzwerke von Menschen erstellen, die möglicherweise eine Terrorzelle bilden, und Telefone überwachen lassen. Wird eine tatsächliche Terrorgefahr in die Akte einer Person eingetragen, rückt die Polizei aus und verhaftet die betroffene Person. Und dann stellt sich heraus, ob man Recht damit hatte oder gerade eine*n Unschuldige*n radikalisiert hat.

„Orwell“ ist ein Spiel, dass mir nach einem Literaturstudium und 25 Jahren Autorenschaft noch etwas Neues über die (Un-)Möglichkeit beigebracht hat, die tatsächliche Aussage (im Internet) geschriebenen Texts ohne Kontext bewerten zu können. Im Kontext der Datensicherheit und staatlichen Überwachung eignet es sich meine Erachtens für den Oberstufenunterricht.

Through the Darkest of Times

Through the Darkest of Times, Paintbucket Games

Lange fielen Computerspiele in Deutschland nicht unter die sogenannte Sozialadäquanzklausel, mit der Kunst und Kultur verfassungsfeindliche Symbole wie Hakenkreuze zeigen darf. Das hat sich geändert, und das Spiel „Through the Darkest of Times“ des Berliner Studios Paintbucket Games beweist eindrucksvoll als erstes deutsches Spiel, warum das eine gute Entwicklung ist.

Man leitet im Berlin der Zwanziger und Dreißiger Jahre eine Widerstandszelle gegen den Nationalsozialismus. In einer Mischung aus strategischem Ressourcenmanagement und historischem Geschichtskontext versucht man, seine persönliche kleine Résistance in Berlin zu einem Sieg zu führen, wohlwissend, dass dieses Ziel mit der Machtübernahme in immer weitere Ferner rückt.

Trotz ausreichender Handlungsoptionen erlebt man die Beklemmung jener Zeit, die sich immer weiter einengenden Spielräume der Menschen, das Überhandnehmen der Nazis und ihrer Ideologie am eigenen Leibe. Die darüberliegende historische Handlung bietet weitere Erkenntnisse: Man erlebt den Reichstagsbrand, steht neben Erich Kästner, während seine Bücher verbrannt werden.

Wer an der Schule das Thema Nationalsozialismus – auch im Lichte der aktuellen Diskursverschiebung ins Rechtsradikale – aus einem neuen Blickwinkel lehren möchte, sollte sich dieses Spiel zu Gemüte führen.

Through the Darkest of Times, Paintbucket Games

Im nächsten Blogbeitrag …

… stelle ich weitere einsteigerfreundliche Computerspiele vor, die sich (meistens) am PC spielen lassen.

Darunter sind „Beholder“, „This War of Mine“ und „The Last of Us“ 1 & 2.

Welche Spiele gehören für euch auf die Liste der Empfehlungen für Einsteiger, die sich kulturell mit Spielen auseinandersetzen wollen? Schreibt es mir in die Kommentare!

30 Jahre deutsche Einheit

Vor 30 Jahren saß ich weinend vor dem Fernseher und sah Menschen dabei zu, wie sie auf Trabbidächer trommelten. Dieser Tag, an dem das Unglaubliche geschah, ist einer der wenigen, die mir immer im Gedächtnis bleiben werden.

Ich lebte im Schatten der Grenze in Celle. Das Zonenrandgebiet mit der Grenze überschattete das Leben in der Kleinstadt. Mit Austauschschülerinnen fuhren wir zur Elbe; wo eine mitten im Fluss halb gesprengte Brücke zum Symbol der deutschen Teilung geworden war. Das Bild beeindruckte mich sehr.

Ich sprach heute mit Freund*innen und PAN-Kolleginnen (Crossmedienne und Miss Viscid) beim gemeinsamen Frühstück darüber, dass sie mit dem Feiertag zur Deutschen Einheit gar nichts verbinden, weil sie damals zu jung waren. Inzwischen ist eine ganze Generation vergangen, in der Menschen mit der DDR nichts mehr verbinden. Und ich fühle mich offiziell alt.

Ich glaube, „Nachgeborene“ können kaum begreifen, wie sehr die Teilung Deutschland vor der Wende geprägt hat. Dass man im eigenen Land nicht nach Osten fahren konnte. Dass man achtsam war. Dass man Berlin nicht besuchen konnte, ohne durch die „Zone“ zu fahren. Wie stark die politischen Spannungen einfache Menschen beeindruckte. Wie groß die Sehnsucht nach einer Wiedervereinigung war, selbst in mir, die das ganze Deutschland vorher nicht erlebt hatte.

Man darf nicht verschweigen, dass der Einigungsprozess nicht optimal gelaufen ist, um derbe zu untertreiben. Ein Beitritt heißt, ein Partner fügt sich ein, anstatt dass beide zu etwas neuem verschmelzen. Das Trauma des Identitätsverlusts, so unlieb einem diese Identität vielleicht auch gewesen ist, wurde massiv unterschätzt. Julian warf ein, dass es Studien gäbe, Ex-DDR-Bürger*innen hätten im eigenen Land Diskriminierungserfahrungen gemacht, und das glaube ich sofort. Die Einigung hat viele Probleme aufgeworfen, die nicht oder zu wenig Ernst genommen wurden.

Was bedeutet mir die Einheit? Ich bin immer noch froh darum. All die Probleme täuschen nicht darüber hinweg, dass wir zueinander stehen und gemeinsam in die Zukunft schreiten wollen. Wir müssen vieles verbessern, um noch mehr zusammenzuwachsen.

Ich lerne, dass uns eines damals sehr gefehlt hat: das Verständnis für das Gegenüber. Jetzt müssen wir Ursachenforschung betreiben; und jetzt Fehler zu verbessern, ist umso schwerer und umso anstrengender.

Aber davor drücken können wir uns nicht.