Das Jahr 2020 wird mir wegen vielerlei Dingen im Gedächtnis bleiben. Der Coronavirus spricht für sich, doch noch nie haben mich die Konsequenzen einer Medienhysterie so direkt betroffen.
Im Jahr 2020 fällt die Leipziger Buchmesse aus. Das ist seit den mindestens zwölf Jahren, in denen ich die Messe als Fachbesucherin aufsuche, das erste Mal, dass der Besuch in Leipzig zum Frühjahr fehlt. Während der Schaden, den die Absage in der Branche und in der Region Leipzig beziffert, hoch sein wird, hinterlässt sie in mir eine erstaunlich emotionale Lücke.
Ich halte die Absage als Vorsichtsmaßnahme zur Eindämmung des neuen Coronavirus für klug, besonders, da die Absagen von Verlagen und Ehrengästen aus den USA und Japan sich mehrten. Ein Dominoeffekt trat ein – denn mit diesen Verlagen und Ehrengästen fehlten dann die Partner auf den Veranstaltungen und Podiumsdiskussionen, andere blieben weg. Deutschen Verlagsmitarbeiter*innen wurde freigestellt, ob sie teilnehmen wollten oder nicht – das ist auch kaum anders möglich, schließlich muss jede*r selbst einschätzen, ob man zur Risikogruppe gehört oder nicht. Hinzu kamen die Auflagen der Gesundheitsbehörden, die eine Nachverfolgbarkeit von Infektionen erforderte und auf einer Messe mit beinahe 300000 Besuchern einfach nicht leistbar war.
Die LBM, wie sie unter Liebhaber*innen kurz nur heißt, wurde für mich von Jahr zu Jahr anstrengender. Spätestens mit dem Bundesvorsitz des Verbands deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller ist die Zahl der Sitzungen und Veranstaltungen, an denen ich vor Ort teilnehme, sprunghaft gestiegen. Und wir hatten mit dem VS und dem Netzwerk Autorenrechte dieses Jahr ein wundervolles Programm, das nun in den Herbst und nach Frankfurt verschoben werden muss.
Doch die Arbeit, die man hineinsteckt, wird vielfach belohnt. Ich kann den Zustand, in dem die Leipziger Buchmesse – und speziell diese – mich jedes Jahr hinterlassen hat, nur schwer in Worte fassen.
Zu wenig Schlaf, Rücken und Füße maximalzerstört, in der Regel zu viel Alkohol, in 9 von 10 Fällen mit der Messeseuche vergrippt. Und doch befruchtet der Austausch mit so vielen kreativen Menschen die Synapsen, beschwingt sie auf eine Art und Weise, dass man sich hinterher frohgemut an jedes Buch oder jeden Text, den man auf dem Tisch hat, setzt, drei neue anfängt und sich darüber ärgert, dass der Tag noch immer nur 24 Stunden umfasst.
Besonders die Phantastik-Szene, und damit das Phantastik-Autoren-Netzwerk (PAN) e.V. trugen in den letzten Jahren zu diesem Austausch bei, doch immer mehr durchmischen sich die verschiedenen Sparten der Literatur und gehen offen aufeinander zu – was auch dem Netzwerk Autorenrechte zu verdanken ist. Der Schmelztiegel aus Ideen, Freundlichkeit, Netzwerk-Gelegenheiten und angestoßenen Projekten, den Leipzig in der Regel hinterlässt, ist mindestens ebenso ein Motor der Branche wie die Business-Seite der Messe.
Besonders für Autor*innen und ihre Kleinverlage ist das Fehlen des Messeumsatzes dieses Jahr ein Problem. 2019 kostete mit der Pleite von KNV sowie der Auslistung vieler Titel von Kleinverlagen durch Libri bereits viele ihren finanziellen Puffer.
Eine Übersprungshandlung, die vom Phantastik-Autoren-Netzwerk PAN ausgelöst wurde, ist #bücherhamstern. In dieser Initiative werden jene verhinderten Besucher*innen und mögliche Kund*innen der Messe aufgefordert, das Geld, das sie in Bücher hätten investieren wollen, nun per Online-Bestellung direkt in die Bücher von Kleinverlagen zu stecken. U.a. die Süddeutsche und der rbb berichteten. Der Börsenverein sammelte in einem Artikel weitere Initiativen, um den Schaden für die Branche zu minimieren.
Bislang war mir nicht bewusst, wie schmerzhaft die Absage tatsächlich sein würde, und wie lange es braucht, um diese Lücke zu füllen. Ich freue mich um so mehr und mit wachsendem Elan auf die Frankfurter Buchmesse sowie die Leipziger Buchmesse 2021.