Achtung: Dies ist ein Betroffenheitsbeitrag. Ich schreibe ihn unter dem Eindruck des Suizids von Chester Bennington, dem Sänger von Linkin Park, der sich gestern in LA das Leben nahm. Nach Chris Cornell, dem Sänger von Soundgarden und Audioslave, ging damit ein weiterer Fixstern an meinem Musikhimmel freiwillig von dieser Welt. Mir sitzt auch der ungläubige Schrecken noch in den Gliedern, als ich von Robin Williams Tod erfuhr.
Ich will nicht heucheln, dass ich ein sklavischer Jünger von Linkin Park gewesen wäre. Ich war ein Fan ihrer Musik (mehr der alten als der neuen), die Alben „Hybrid Theory“ und „Meteora“ haben mich lange begleitet, die Singles Crawling, Numb und In the End gingen mir unter die Haut und beim Tanzen ins Blut. Ich habe keines ihrer Konzerte gesehen; ich bin aber eh weder eine große Festival- noch Konzertbesucherin.
Linkin Park zeigte mir in einer Zeit des Weichspül-Pops, dass es noch ehrliche, raue, ungeschönte und trotzdem gute Musik gab. Durch sie entdeckte ich das Stichwort „Nu Metal“ zum ersten Mal und forschte weiter in der Welt des Alternative Metal oder -Rock. Gleichzeitig war die Musik eingängig genug, um mir zu gefallen.
Natürlich hat auch Linkin Park zwischendurch eine gefällige Mainstream-Phase durchgemacht, nur um sich dann einem umso härteren Klang zuzuwenden. In den letzten Jahren habe ich insgesamt weniger Musik gehört und daher den Werdegang von Linkin Park nicht mehr so stark verfolgt. Ein klassischer Fall von „You don’t know what you got Until It’s Gone“.
Dass sich Chester Bennington nun, nach schwerer Kindheit, einer langen Geschichte des Drogenmissbrauchs und einer dergestalt erfolgreichen Musikerkarriere, das Leben genommen hat, ist so außerordentlich traurig. Mein Mitgefühl gilt den Angehörigen und Freunden.
Ein in Künstlerkreisen nicht gern gesehener Spruch lautet, dass ein Künstler leiden muss, um gute Kunst zu erschaffen. Auf Chester Bennington trifft das mit dem Leiden offenbar zu. Ich glaube durchaus, dass auch gute Kunst von nicht-leidenden Künstlern erschaffen werden kann, doch mit Robin Williams, Chris Cornell, jetzt Chester Bennington stellt sich mir die Frage, nach dem Zusammenhang zwischen Depression und Kunst.
Suchen Menschen mit Depressionen in der Kunst eine Ausdrucksform? Oder ist das Erschaffen von Kunst so hart und einsam, dass Künstler in Depressionen enden? Bietet der Beruf eines selbständigen Künstlers Menschen ein Auffangbecken, die sonst in anderen Bereichen der Gesellschaft anecken? Oder ist es von allem ein bisschen etwas? Oder nur eine Wahrnehmungsfrage des „Confirmational Bias“, weil es in der nicht-künstlerischen Gesellschaft ebensoviele Fälle von Depressionen und Selbsttötungen gibt?
Um den Sprung in die Buchbranche zu tun: Ich kenne einige mehr oder weniger depressive KollegInnen. Der Autor mit Dauer-Schreibblockade und Depressionen ist ja geradezu das Klischee der Branche. Können wir als Gesellschaft etwas tun, um dem zu begegnen? Können wir ein besseres Umfeld für Künstler schaffen, damit sie gehört werden? Präventionsmaßnahmen schaffen, um zu verhindern, dass es anderen genauso geht?
Ich hoffe zumindest, dass es für Linkin Park irgendwie weitergeht, auch wenn Chester fehlt und nicht zu ersetzen ist. Ich werde jetzt in die letzten verpassten Alben von Linkin Park reinhören und schauen, ob sie mir gefallen. Auch wenn bereits jetzt gilt: „In the End, it doesn’t really matter.“
Denn dass Linkin Park schon lange unsterblich geworden ist, steht außer Frage.
Time is a valuable thing
Watch it fly by as the pendulum swings
Watch it count down to the end of the day
The clock ticks life away