Dialog: Gibt es zu viele Frauen in phantastischer Literatur?

Die Diskussion über Feminismus und Repräsentation von Frauen in der phantastischen Literatur, die auf dem 3. Branchentreffen der Phantastik des Phantastik-Autoren-Netzwerks (PAN) e.V. am 19.04. in einer Diskussionsrunde im Kölner Odysseum begann, setzte sich zunächst auf Twitter fort.

Professor Lars Schmeink, der auf unserem Branchentreffen den Impuls-Vortrag „Politische Dimensionen der Fantastik“ hielt, setzt sie nun auf Tor-Online fort und ruft zum brancheninternen Dialog auf. Lieber Lars, hier ist meine Stimme.

Die Beschwerde: es gäbe zu wenig (starke) Frauenfiguren in phantastischer Literatur. Doch auf diese Beschwerde kam auch Widerspruch: es habe noch nie Gegenwehr gegeben, wenn (z.B. ein Mann oder erfolgreicher Autor) eine Heldin ins Zentrum seines Werks gestellt hätte.

Wer hat nun Recht? Oder gar beide?

Ich glaube einerseits, dass sicher große und kleine Autoren nicht gleich behandelt werden. Wenn also die einen starke Frauenfiguren nutzen dürfen, heißt das nicht, dass anderswo nicht genau solche Bücher abgelehnt werden. Darüber kann ich ehrlich gesagt keine Auskunft geben, denn mir wurde immer von den Lektorinnen kommuniziert, dass eine (starke) Frauenfigur gern gesehen wird. (Darüber, dass man sich nur bei weiblichen Figuren genötigt sieht, das Wörtchen „stark“ vor die Figur zu setzen, und das bei Männerfiguren (gibt es das Wort?) oder Helden nicht ergänzt werden muss, hat Lars Schmeink sich bereits andernorts ausgelassen.)

Meine andere Befürchtung ist allerdings, dass wir in der phantastischen Literatur zu viele Frauenfiguren haben. Und zwar zu viele, die eben in sexistischen Verhaltensmustern charakterisiert werden. Besonders romantische Literatur neigt zu Halb-zog-er-sie-halb-sank-sie-hin-Personal, bei dem auf beiden Seiten des Geschlechtergrabens Stereotypen verfestigt werden.

Was wir also benötigen, sind nicht mehr Frauenfiguren (ob als „stark“ tituliert oder nicht), sondern komplexere, vielschichtige Figuren, die nicht in das eine oder andere Klischee kippen – die flache Powerkriegerin mit Schwert auf der einen oder das kleine verhuschte Mädchen, das am liebsten von ihrem starken, dominanten Liebsten erobert werden möchte.

Da könnte man zum Schluss kommen, dass Stereotypen schädlich sind. Ich finde das auch nicht ganz falsch, denn Stereotypen verfestigen natürlich Gender-Klischees in den Köpfen der Leserschaft.

Auf der anderen Seite lebt Phantastik (und Bücher leben generell) von Stereotypen, denn das erleichert den Einstieg in eine komplexe neue Welt.

Die Antwort auf die Frage ist also wiederum komplex. Mein Aufruf ist:

Schreibt Charaktere. Schreibt nicht Abziehfiguren, sondern motiviert euer Personal und stattet sie mit guten wie schlechten Seiten, Marotten und Geniezügen aus.

Alle, Männer, Frauen und alles dazwischen.

Und jetzt haben wir wieder nicht über Rassismus in der Phantastik und die Notwendigkeit für Vielfalt in der Literatur gesprochen, Lars.

Machen wir das im Mai?

[EDIT: Links gesetzt]

11 Gedanken zu „Dialog: Gibt es zu viele Frauen in phantastischer Literatur?

  1. Liebe Lena,
    ich kann dir eigentlich in (fast) allem nur zustimmen. Denn ja, wir brauchen mehr Qualität in der Beschreibung von Frauenfiguren und generell (ein Problem der Fantasy insbesondere) weniger Klischees und Stereotype. Und das gilt natürlich nicht nur für Gender sondern auch für Darstellung von Ethnien … wenn Asiaten als Chiffre für „weiser alter Yoda“ herhalten muss – Mister Miyagi! – oder dunkelhäutigen Figuren das Rumlungern in den Schatten auf die Haut geschrieben steht.
    Ich bin also bei dir, mehr Diversität und mehr Qualität…

    1. Oh ja, die mystischen schamanistischen Ratgeber-Tropes mit schwarzer Haut oder chinesischen Ursprungs …
      Aber kann man in der Phantastik dann noch Klischees vermeiden? Auch die weise alte Frau oder der weise alte Mann (Gandalf? Dumbledore?) sind inzwischen etablierte Tropes.

      1. Die sich aber leicht brechen lassen, denn wenn wir ehrlich sind und die Realität betrachten, sind ein großer Teil der „weisen alten Leute“ eher senil gewordene Klugscheißer, auf die 30 Jahre früher kein Mensch freiwillig gehört hätte.
        Die Stammtischbrüder, die Klatschbasen vom Dorfplatz und die Pöbelbrüder von der Baustelle sind eben nicht automatisch „weise“ nur weil ihre Haare weiß sind. „Gutgolf, der Graue“ kann auch einfach ein rassistischer alter Sack sein, der den Leuten Lügen auftischt. Sogar, wenn er chinesischen Ursprungs ist.
        Aus Tropes kann man die besten originellen Figuren entwickeln.

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