Nachruf Karl-Heinz Witzko

Grabkranz mit Foto von Karl-Heinz Witzko und Inszenierten Kerzen

Am Donnerstag den 17.11.2022 trugen wir unseren Freund und alten Weggefährten Karl-Heinz Witzko in Bremen auf dem Riensberger Friedhof zu Grabe.

Karli war ein Weggefährte aus einer Zeit, in der ich beruflich Wurzeln schlug. Mit dem Schwarzen Auge machte ich die ersten Schritte ins Schreiben, in die Branche, die mir später so viel bedeuten würde: die Buchbranche; gleichzeitig aber auch der Weg in die Spielebranche.

Ich lernte Karli 1993 im Rahmen des Baronsspiels des Rollenspiels Das Schwarze Auge kennen. Als streitbare Menschen ordnete der damalige Redakteur Niels Gaul uns beide in die Region Almada ein, jenen Landstrich nicht minder streitbarer Helden.
Es ergab sich sehr schnell ein enger Kontakt über Redaktionsarbeit und -Sitzungen, über das Schreiben von Artikeln des Aventurischen Boten, jener größtenteils intradiegetischen Zeitung der Welt Aventurien.

In der Redaktion des Schwarzen Auges war Karli immer auch der Verfechter der Außenseiter, die nicht im Schlaglicht der Aufmerksamkeit standen. Er wählte die Randregionen wie Maraskan, Nostria – Landstriche, in denen man noch frei erzählen konnte; in denen man noch absurd sein konnte; menschlich sein konnte.

Ein hölzerner Diskus nach maraskanischem Vorbild, gefertigt von Wolf Craft Armour.

Karli war sicher auch einer der intelligentesten Menschen, die ich kenne, und hinterfragte vieles, wenn nicht alles, was ihm begegnete. Unter den 10-12 Dickköpfen in der Redaktion war er sicher der dickköpfigste. Er war auch einer von anfangs vielen Kettenrauchern, die dafür sorgten, dass man in Redaktionssitzungen die Luft mit dem Messer schneiden konnte. Manchmal lag es auch am Zigarettenrauch.

Karli blickte scharfäugig durch Widersprüche in Argumentationsketten und Meinungen. Ich sehe ihn vor mir, wie er sich mit vor Spannung bebender Lippe zurückhalten musste, wenn er zu einer Antwort ansetzte, von der er wusste oder ahnte, dass man sie nicht verstehen würde, weil man seine aus obskuren Quellen stammenden Referenzen (feministischer französischer Jazz?) nicht verstand, oder sich selbst mit den eigenen Denkansätzen den Blick auf die Logik verstellte.

Anfang der 2000 feierten mein damaliger Lebensgefährte, einige Freunde und ich gemeinsam mit Karli Rollenspielrunden zu Silvester, in denen wir DSA spielten. Dabei rauchte Karli so viel, dass er nach einem ausgesprochen kalten Silvester, das er strickt vor der Tür rauchen musste, mit einer Lungenentzündung im Bett lag. Die Zigaretten reduzieren ging aber leider nicht.

Er spielte seinen Graf Danilo, einen Elfen, der sich zu den Menschen gesellt hatte. Manchmal ließ sich dieser Elf auch dazu herab, sich in deren Belange einzumischen. Dies einte viele seiner Figuren – der Mangel an Motivation, sich in das menschliche Chaos hinabzubegeben.

Der übergewichtige Moha, der Elf im Menschenadel, der maraskanische Mörder im Exil – Karlis Charaktere waren wieder Außenseiter, die die Menschen mit unverstelltem Blick mit Abstand analysieren und bewerten konnten.

Ich frage mich, ob dieser Topos in ihm eine besondere Resonanz besaß.

Auszug mit Urne und Kranz zum Grab.

Karli schrieb auch nach dem Schwarzen Auge weiter; doch wie bei vielen anderen Autor*innen erwies sich dieser Beruf nicht als Spaziergang. Doch er begleitete einige hier auf dem Weg weiter, und spielte auch trotz Pandemie DSA– wie so viele von uns fanden die Runden online statt.

Die letzten Jahre von Karlis Lebens waren von Krankheit geprägt. Schließlich versagte ihm der Körper den Dienst bei einer Krebstherapie.

Ohne seine Online-Runde hätten wir von Karlis Tod vermutlich erst Wochen später erfahren. Wir haben es Annika Rödders dunklen Ahnungen, Telefonaten und Organisation zu verdanken, dass wir von seinem Tod wissen und gemeinsam an seinem Grab stehen konnten.

Jörg (Hampi) Middendorf haben wir zu verdanken, dass wir ohne viel Gedöns so manche Grenze der Bürokratie überwinden konnten.

Abschied am Grab.

Und so Recht es Karli wohl gewesen wäre, sich aus dem Leben zu schleichen; er geht doch nicht unbemerkt. Viele Menschen trugen zu seiner Beerdigung bei. Das zeigt, wie viele Menschen von Karli Abschied nehmen möchten. Wir bedanken uns für die atemberaubende Beteiligung.

Karli hinterlässt eine Lücke in einem Freundeskreis, der sich gegenseitig oft aus den Augen lässt, aber doch nie so ganz aus dem Blick verliert.

Karli schrieb selbst in einem seiner Maraskan-Romane: „Wir kommen, wir gehen und wir kommen wieder.“

Das ist zwar der Glaubenssatz einer fiktiven Religion eines Fantasy-Rollenspiels, aber er wirkt auf seiner Beerdigung angemessen.

Also: Komm bald wieder, Karli.

Bis dahin: Mach es gut.

Nina Wendelken, Friederike Hölscher, (Bernhard Hennen, verborgen), Jörg Middendorf, Lena Falkenhagen

Ein Dank für die musikalische Untermalung der Trauerfeier gilt Friederike Hölscher und Nina Wendelken, die live für den feierlichen Rahmen sorgten, und Blue Sid, der eine Coverversion für den Ausmarsch einspielte.

Und wer Karli nun auf dem Friedhof besuchen möchte, dem sei diese Ansicht mitgegeben, um sich zu orientieren. Der Riensberger Friedhof hat einen Parkplatz an der Friedhofstraße, auf dem man das Auto stehen lassen kann.

Alle Bilder (bis auf das Foto des Übersichtsplans) sind von Hacky Hackbart. Vielen Dank dafür.

11 Gedanken zu „Nachruf Karl-Heinz Witzko

  1. Hallo Lena
    Ich muss gestehen, das ich erst jetzt von Herrn Witzko´s letzten Gang, begleitet durch Freunde und Weggefährten erfahren habe.
    Ich muss auch zugeben, das ich nicht gerade ein besonderer Schreiber bin, zumal ich wohl schreibe wie ich rede. Also bitte verzeiht meine schreibseeligkeit.
    Ich würde mich geehrt fühlen und auch freuen, das ich schreiben kann, das Karl-Heinz Witzko etwas getan und bewirkt hat, wie alle anderen Weg Gefährten und Freunde der DSA Redaktion gleichermaßen und das ich in diesem zusammen hang mehr als verstehen kann wie wichtig dieser letzte Gang zur letzten Ruhestätte gemeinsam gehen zu können ist. Etwas ähnliches habe ich im Jahr 2017 erlebt.
    Persönlich hat Herr Witzko, und genau so sehe ich Heldentum ,ohne groß pathetisch zu sein, egal wie viele wir durch unsere Taten inspirieren, es mit seiner Idee von meiner liebsten Inseln in der DSA Welt zu inspirieren und selbige durch sein Zutun in mein Herz zu schließen. Maraskan ist meine Insel und es gibt tatsächlich einen Namen der mit dieser fiktiven aber bunten, lauten und tatsächlich lebendig erscheinen Insel wo ein alles fressen oder vergiften oder beides wird.
    Karl Heinz Witzko
    Ich weiss es ist liest sich vielleicht Nerdiger als Nerdig, aber wie schon erwähnt geht es um das was wir im Leben vielleicht nicht bemerken und in diesen Stunden, wo Freunde und Weggefährten den Weg der Natur zu Ende gehen, denk ich, das unsere Kreise größer sind als wir uns zuweilen vorstellen.
    Der Nachruf eines Menschen, der vielleicht ahnte aber nicht wusste, wie sehr er einen alten DSA Maraskaner beeinflusst hat zeigt mir selbiges wieder vor Augen, was wir zuweilen nicht sehen können.
    Wer es also schafft diesen Text bis zum Ende zu lesen und vielleicht etwas mitzunehmen von meinem geschreibsel, bleibt nur zu sagen.

    Die Welt ist schön!
    Preiset die Schönheit!

    Mit viel Verständnis und Anteilnahme
    für Herrn Witzko´s Weggefährten, Freunde und Familie
    Mirko Ristau

  2. Wir wollten Karli eigentlich heute zum Geburtstag gratulieren…
    Danke für diesen einfühlsamen Nachruf! Wir haben während Utes Studienzeit, Karli auf vielen Spieleabenden erlebt. Witz und Charme waren immer seine Attitüden.
    Wir haben und werden ihn nie vergessen!
    Ute und Mulle

  3. Ahoi Lena,
    danke für Deinen Nachruf. Habe eben erst von Karlis Tod erfahren und bin ziemlich erschüttert.
    Karli war für mich als Rollenspieler und als Mensch eine große Inspiration. Mein erstes DSA Solo-Abenteuer spielte auf Maraskan, so war für mich klar, das die Mittelreichischen Usupartoren die eigentlichen Bösen sind. Zwar lernte ich später mehr über Aventurien, aber Maraskan und die Menschen darauf mit ihrer Philosophie blieben mir immer die Liebsten Rollen und Hintergründe für meine eigenen Abenteuer. Auch die Anrede Bruderschwester war für die 90er Jahre sehr fortschrittlich und für mich ein erster Anstoß über Gendernormen nachzudenken. Darüber hinaus ist der maraskanische Glaube eine gute Übung im dialektischen Denken.
    Anfangs gab es nicht viel über Maraskan zu lesen. Also schickte ich Mitte der 90er einen Brief an Karli mit der Frage ob es noch mehr Material gäbe. Er schickte mir eine Diskette mit allen Texten und Abenteuern die er bis dahin über die Insel geschrieben habe zu. Ich habe mich wahnsinnig gefreut. Ich glaube das hätten nicht viele Auto*innen gemacht.
    Ich möchte mich an dieser Stelle, noch einmal mit einer Träne im Auge bedanken und finde es sehr schade Karli nie persönlich kennen gelernt zu haben.

    Preise die Schönheit Bruderschwester, Du hast mir auf jeden Fall dabei geholfen einige Fragen des Seins zu finden.

    Simon

  4. Hallo Lena,

    Ich komme nach vielen Monaten zu diesem Nachruf zurück und möchte die Gelegenheit nutzen, um auf die Bedeutung der oft erwähnten „Kreativen“ hinzuweisen. Mir persönlich sind die Geschichten von Karl-Heinz Witzko emotional lieb und teuer und werden es immer sein. Sie sind naturgemäß weniger sichtbar als bspw. Illustrationen, aber sie entfalten bis zum heutigen Tage bei mir Wirkung und klingen nach ohne zu verhallen. Ist die Welt nicht schön, auch wenn wir sie manchmal nicht verstehen?

    Maik

    1. Lieber Maik,

      vielen Dank für deine Gedanken, und deine Unterstützung für die Arbeit, die „wir“ Kreativen machen. Oft wird sie nicht gesehen, nicht anerkannt, und zwischen Rüstungsausgaben und Gaspreisbremse als vernachlässigbar abgetan.

      Tatsächlich halte ich das Sparen an Bildung und Kultur das schlimme Erbe einer lange Zeit CDU-getriebenen Regierung. Wir haben uns an die Prämisse „da kann man sparen, das ist nicht so wichtig“ gewöhnt.

      Es tut gut zu lesen, dass unsere Leserinnen und Leser das anders sehen.

      Herzlich, Lena

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