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Mein Bekenntnis zum Buch: #buchpassion

Unter dem Hashtag #buchpassion  veranstaltet die Bloggerin Janine von kapri-ziös die Edition: Mein Bekenntnis zum Buch. Vom 09.-11.9.2016 drehen sich alle Fragen rund ums Buch. Welche Bücher liegen uns besonders am Herzen? Warum lesen wir? Wie sähe eine Welt ohne Bücher aus? Oder aus der Sicht von uns Autorinnen und Autoren: Warum schreiben wir so gern Geschichten?

Ich habe mich entschlossen, die drei Bücher vorzustellen, die mich die Liebe zu Büchern gelehrt haben und die mich in die Richtung meines Lieblingsgenres, der Phantastik, geleitet haben. Nach Pitje Puck dem fleißigen Briefträger natürlich, der stets einen Platz in meinem Kinderherzen haben wird.

Genauer gesagt möchte ich erläutern, warum ich drei Bücher so sehr liebe.

1. Der Herr der Ringe

Inzwischen ist dieser Klassiker der Fantasy-Literatur für viele eine Selbstverständlichkeit. Doch das Buch, das Tolkien damals in den Fünfziger Jahren des Zwanzigsten Jahrhunderts publizierte, gelang erst durch Peter Jackson der Durchbruch in den Mainstream.

Als ich den Herrn der Ringe las, galt er noch als Geheimtipp, den nur „die komischen Kinder“ gelesen haben. Überhaupt lasen nur komische Kinder Bücher, aber das ist eine andere Geschichte.

Was mich an Tolkiens Werk damals begeisterte, ist eigentlich kein Kompliment: Seine Figuren gleichen bis auf wenige Ausnahmen eher den Hauptfiguren eines mittelalterlichen Epos ohne „Heldenreise“. Gandalf, Aragorn, Faramir, Frodo – sie alle scheinen eher Facetten derselben Figur zu sein, die nur mit wenigen Eigenschaften ausgestattet sind, die sie voneinander differenzieren. Allein Boromir, Sam und Frodo verändern sich im Innern auf ihrer Reise tatsächlich, die anderen bleiben, wie sie sind.

Was ich am Herr der Ringe immer noch liebe: Die wundervolle Sprache, die Tolkien benutzt (und ich meine nicht die Gedichte), die Art und Weise, wie bei ihm das gesamte Land lebt und atmet (wie oft liest man von „der Schulter“, „dem Runzeln“ oder „dem Fuß“ der Berge, „dem Schoß“ eines Flusses.

Und abschließend reizt mich natürlich der Kampf Gut gegen Böse, die Bemühungen des kleinsten möglichen Helden gegen die schlimmste, größte Übermacht. Die Zeichen stehen so schlecht für Frodo, der Kampf ist so überwältigend, das Problem so groß, dass man jeden Schritt des Weges mit ihm bangt und ihn an allen Ecken scheitern sieht. Dass er schlussendlich nach all diesen Prüfungen gewinnt, lässt meine Seele jubeln.

2. Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull

Thomas Mann begann das erste Buch vom „Krull“ als Frühwerk, schrieb aber bis kurz vor seinem Tod stets weitere Bände als Fortsetzung. Man kann die Entwicklung des Autors den Büchern des „Krull“ ablesen, und diese Entwicklung ist nicht immer zum Besten des Buches: Die ersten, sehr spielerischen Bände werden weiter hinten von einem beinahe unleserlichen philosophischen Teil abgelöst, der jegliche Verspieltheit verloren hat und den nachdenklichen, gealterten Mann zeigt.

Trotzdem ist der niemals alternde, stets gleich bleibende und sehr humorige Felix eine meiner Lieblingsfiguren der Literatur. Eigentlich schrieb Mann einen Schelmenroman, denn der Erzähler, Felix Krull selbst, bindet dem Leser von der ersten Seite so doppeldeutig schlecht verschleierte Lügen auf, dass man ihn einfach lieben muss.

Auch wenn der erste Satz des „Krull“ die erste halbe Seite füllt und nicht für jedermann leicht zu lesen ist, brilliert Mann hier durch einen wundervoll geschliffenen Sprachstil.

Felix verändert sich durch das gesamte Buch hindurch nicht wirklich, er lernt nicht dazu, wird nicht weiser. Und wenn er es täte, würde ich weinen, ist er doch eine so schöne, reine und unschuldige Betrügerseele.

3. Bram Stoker’s Dracula

Die Mutter aller Vampirromane überrascht beim Lesen, denn wenn man von den vielen Nackenbeißer-Verfilmungen unter dem Titel „Dracula“ auf die Buchvorlage schließen möchte, geht man fehl. Bram Stoker’s Dracula ist ein Briefroman, genauer gesagt ein Memorandenroman. Dem Leser erschließt sich die Handlung ausschließlich durch die Briefe und Tagebucheinträge der handelnden Figuren, Zeitungsartikel und Notizen – fantastisch.

Die Dramatik ist, dass dadurch alle Figuren des Buches nur einen Ausschnitt der Geschehnisse kennen. Die Fäden laufen allein in der Hand des Lesers zusammen – und der leidet unter seiner Ohnmacht, nicht eingreifen zu können.

Die Helden verlieren durch den Verlauf der Handlung viel, doch sie gewinnen auch. Mich hat der Roman immer dadurch beeindruckt, wie treu die Helden zueinander stehen und was sie bereit sind zu opfern, um nach dem Verlust von Lucy zu verhindern, dass auch Mina an den Feind verloren geht.

 

Damit kennen Sie mein Bekenntnis zum Buch. Ich bedanke mich bei Janine von kapri-ziös dafür, dass sie zu dieser wundervollen Aktion angeregt hat.

Und was ist Ihr Bekenntnis zum Buch?

 

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„Tolkiens größte Helden“ im Heyne-Verlag erschienen

Ein Projekt über Halblinge im Buchformat, angeregt von Bernhard Hennen? Kein Zweifel, dass ich die Gelegenheit, dafür einen Beitrag zu leisten, nicht ausschlagen konnte. Anfang Oktober ist nun „Tolkiens größte Helden“ im Heyne-Verlag erschienen. Darin berichten Autoren über ihre Begegnung oder Anekdoten mit Tolkiens Hobbit.

Ich habe die Kurzgeschichte „Die Legende vom Riesenork“ dafür verfasst und beim Schreiben einen Mordsspaß gehabt. Und sag mir noch mal einer, Tolkien hätte keinen Humor gehabt …

Tolkiens größte Helden“ kann bei Amazon.de erworben werden.

Schreibhandwerk: Szenisches vs. auktoriales Erzählen

Ich lese gerade den Hobbit von J.R.R. Tolkien. Ich liebe die Verfilmungen von Peter Jackson und freue mich sehr auf den 14. Dezember. Da ich den Hobbit aber seit sicher zwanzig Jahren nicht mehr gelesen habe, möchte ich noch einmal „unbelastet“ erleben, bevor sich die filmische Umsetzung unweigerlich vor mein inneres Auge schieben wird.

Über den Hobbit kann man sicherlich streiten. Das Buch gehört zu jenen, die mich in meiner Jugend sehr geprägt haben und ich genieße die neuerliche Lektüre sehr. Ich finde das Werk allerdings weniger gelungen als den Herrn der Ringe. Das liegt sicher hauptsächlich an dem Kinderbuch-Tonfall, dessen sich zumindest die deutsche Übersetzung bedient (den Herrn der Ringe lese ich eigentlich nur auf Englisch, aber den Hobbit momentan nicht). Dazu kommen manche Szenen, die geradezu märchenhaft anmuten – wenn in Beorns Hütte die Ponys und Ziegen den Tisch decken und Hunde, auf den Hinterbeinen laufend, Schüsseln mit den Vorderpfoten balancieren, dann hat das mit Phantastik, so wie ich sie lesen möchte, nicht mehr viel zu tun. (Und ich glaube, dass Peter Jackson diese Szene im Film zumindest entschlacken wenn nicht gar weglassen wird.)

Was mir bei Tolkiens beinahe lyrischem Erzählstil (in der Übersetzung) aufgefallen ist, ist die Präsentation der Szenen. Er benutzt im Hobbit den auktorialen Ezählstil, der heute in seiner Reinform mit der epischen Distanz, die er erweckt, beinahe ausgestorben ist. Ein Beispiel:

„Genau in der Mitte des Kreises lag ein mächtiger Grauwolf. Er sprach zu [den anderen Wölfen] in der furchtbaren Sprache der Warge. Gandalf verstand sie. Bilbo verstand nichts, aber es schauderte ihn, denn es klang, als ob es sich um nichts als tückische Grausamkeit handelte – was es in Wirklichkeit ja auch war.“ (Tolkien, Der Hobbit, S. 121, Georg-Bitter-Verlag 1971. Übersetzt von Walter Scherf.)

Nicht nur kann Tolkien mit der Außenperspektive sowohl in Gandalfs wie auch Bilbos Gedankenwelt schlüpfen, er kann auch eigene Schlüsse daraus ziehen. Der Tonfall wirkt allerdings belehrend und nimmt oft die Spannung vorweg. Auf der anderen Seite sind Vorgriffe auf noch nicht Geschehenes möglich. „Ich wünschte, ich wäre zu Hause in meiner hübschen Höhle beim Kaminfeuer […]! Es war nicht das letzte Mal, daß er sich das wünschte.“ (Tolkien, S. 42.)

Heute wird in der Verlagswelt der szenische Erzählstil des personalen Erzählers bevorzugt. Dieser leitet sich stark von Film und Fernsehen ab und beteilligt den Leser unmittelbar am Geschehen. Ein Beispiel aus „Heat Wave“ dem Roman der TV-Kunstfigur Richard Castle:

„Die Hitze, die ihr entgegenschlug, hätte sie beinahe wieder zurück in den Wagen taumeln lassen. Draußen herrschten fast vierzig Grad. New York war ein Schmelzofen, und der weiche Asphalt auf der Siebenundsiebzigsten Straße West gab unter ihren Füßen nach, wodurch es sich so anfühlte, als liefe sie auf Sand.“ (Richard Castle, Heat Wave S. 1. Cross Cult, Leseprobe auf Serienjunkies.de)

Dieser Erzählstil hat auch seine Nachteile, denn sich auf eine Perspektive zu beschränken wirkt manchmal eintönig. Daher wird auf die Multiperspektive zurückgegriffen, in der man zwischen verschiedenen personalen Erzählern wechselt. Außerdem kann es leicht sein, dass man zu nah an das Geschehen geht, indem man zu lange in der Szene verweilt. Ein Fehler, den ich mir auch oft aus den Korrekturfahnen streichen muss. :)

Der personale Erzählstil gilt nach meinen Erfahrungen heutzutage als Nonplusultra, nähert er sich doch unserem Fernseh-Erlebnis so weit wie möglich an. Ich habe in „Justifiers 2 – Undercover“ die Ich-Perspektive gewählt, auch um mit vorhandenen Traditionen zu brechen. Auch hier ist eine szenische Unmittelbarkeit möglich, die sogar noch näher ans Geschehen herangeht als in der personalen Perspektive. Doch in der gespalteten Persönlichkeit zwischen berichtendem und erlebendem Erzähler muss diese Unmittelbarkeit eine Illusion bleiben – mit der man dann natürlich auch wieder spielen kann.

Gibt es gelungene moderne Beispiele für einen starken auktorialen Erzähler? Ich bin versucht, ihn in seiner Reinform der Vergangenheit zuzuordnen. Aber wer weiß, vielleicht erlebt er ja eine Renaissance.